Mediengipfel in Lech

Hirnforscher in Lech: „Wir müssen uns mit Computern verbünden“

John-Dylan Haynes bei seinem Vortrag.
© ProMedia Kommunikation/APA-Fotos

Wie funktioniert das menschliche Hirn, wie unterscheidet es sich von Künstlicher Intelligenz – und was sagt uns das über die Zukunft? Hirnforscher John-Dylan Haynes gab beim Mediengipfel in Lech Einblicke.

Lech – Für den Hirnforscher John-Dylan Haynes von der Berliner Charite sind Mensch und Maschine in der digitalen Welt keine Konkurrenten. „Nicht das Gegeneinander, sondern die Partnerschaft ist erstrebenswert“, sagte er am Freitag bei seinem Vortrag beim Europäischen Mediengipfel in Lech am Arlberg. Die künstliche Intelligenz (KI) werde zumeist überschätzt und sei noch immer auf den Menschen angewiesen.

„Wir schreiben Algorithmen mehr Kapazitäten zu, als sie haben“, sagte Haynes. Auch neige der Mensch dazu, technischen Gegenständen menschliche Fähigkeiten zuzuschreiben: „Hinter Big Data steht keine Intelligenz, das sind nur Statistiken, die auch ein Mensch mit extrem viel Zeit errechnen könnte.“

„Viele Hirnrythmen sind Blödsinn“

„Weil Computer sehr gut darin sind, große Datenmengen zu verarbeiten, kann man die in gut ausdefinierten oder simulierten Umfeldern einsetzen“, erklärte der Forscher. Doch ein Computer funktioniere völlig anders als das menschliche Gehirn. „Viele Hirnmythen sind Blödsinn“, sagte der Forscher. Der Mensch lerne, indem neue Leitungen zwischen Nervenzellen verlegt würden.

Dies unterscheide das Gehirn jedoch fundamental von gängigen KI-Netzwerken, in denen Informationen nur weitergereicht würden. „Das Hirn ist sowohl analog als auch digital“, sagte er. Das menschliche Denkorgan sei multipolar, da jede Nervenzelle jede andere beeinflussen könne. „Es gibt keinen Diktator im Hirn“, so Haynes. Darum könne man Daten nur schwer messen, denn an viele Nervenzellen komme man nicht heran.

Neuromarketing ist daher für den Wissenschafter derzeit „kein seriöses Thema“. „Ich möchte auch den IQ-Test entmystifizieren, denn lebensnahe Intelligenz ist nochmal was anderes, weil unsere Handlungsfähigkeit im realen Leben nicht getestet wird“, erklärte Haynes. „Komplexes Weltwissen“ sei oft notwendig, um Entscheidungen zu treffen. „Das ist extrem schwer zu automatisieren“, unterstrich der Forscher. „Kreativität und Problemlösung sind eine menschliche Stärke, Algorithmen sind alles Fachidioten“, fuhr er fort.

KI realistisch einschätzen

Dass ein Computer in den USA den zweiten Platz bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb gewonnen habe, entkräftet für Haynes diesen Ansatz nicht: „Sprache eignet sich sehr gut, weil Textkorpusse riesig sind. Wir geben mit Assoziationen den Kunstwerken viel Bedeutung dazu. Die besten Ergebnisse findet man aber in der Kombination aus Algorithmus und Mensch.“ Der Forscher ergänzte: „Es bleibt noch genug für uns zu tun, wir müssen KI realistisch einschätzen.“ Adäquate Ausbildung für diese Zukunftsrichtung sei „unersetzlich“. „Wir müssen uns mit Computern verbünden“, betonte er. (APA)

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