Terrormiliz IS reklamiert Messerattacke bei London Bridge für sich
Ein Attentäter tötete in London zwei Menschen. Es handelte sich um einen verurteilten Terroristen, der vorzeitig aus der Haft entlassen worden war. Am Samstag bekannte sich der IS zu der Tat.
London – Die Terrormiliz IS (Daesh) reklamiert den Angriff nahe der London Bridge für sich. Die Tat sei von einem seiner Kämpfer durchgeführt worden, teilte der IS über sein Sprachrohr Amaq am Samstag mit. Beweise wurden keine vorgelegt. Es hieß, dass der Angriff sich gegen ein Land richte, das Teil der Koalition im Kampf gegen den IS sei.
Die britische Polizei hatte am Freitag einen Mann mit einer Sprengstoff-Attrappe erschossen, der zwei Menschen erstochen und drei weitere verletzt hatte, bevor er von Passanten zu Boden gerungen wurde. Die Behörden sprachen von einem Terroranschlag.
Debatte über vorzeitige Haftentlassungen
Nach dem Anschlag ist in Großbritannien eine Debatte über die routinemäßige vorzeitige Entlassung von Häftlingen entbrannt. Zuvor war bekannt geworden, dass der Attentäter Usman K., der am Freitag eine Frau und einen Mann nahe der London Bridge tötete, ein verurteilter Terrorist war, der vorzeitig auf freien Fuß gekommen war.
Die Entlassung war Medienberichten zufolge routinemäßig erfolgt. Die zuständige Kommission (Parole Board) teilte am Samstag mit, sie sei nicht an der Entscheidung beteiligt gewesen. „Ich habe seit Langem argumentiert, dass es ein Fehler ist, Schwer- und Gewaltverbrecher vorzeitig aus dem Gefängnis zu entlassen“, sagte Premierminister Boris Johnson (Konservative) am Freitagabend vor einer Sitzung des Nationalen Krisenstabs (Cobra).
Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour-Partei hinterfragte, ob die zuständigen Behörden ausreichend Mittel zur Verfügung hätten, um gefährliche Personen zu überwachen. Unklar ist, wie das Thema den laufenden Wahlkampf beeinflussen wird. Am 12. Dezember wählen die Briten ein neues Parlament. Für Samstag wurden mehrere Wahlkampfveranstaltungen abgesagt.
Mit elektronischer Fußfessel freigelassen
Der 28 Jahre alte Usman K. hatte der Tageszeitung The Times zufolge einen Anschlag auf die Londoner Börse geplant, bevor er 2012 zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde. Außerdem wollte er demnach im pakistanischen Teil Kaschmirs ein Trainingscamp für Terroristen aufbauen. Er war bereits im Dezember 2018 unter Bewährungsauflagen auf freien Fuß gekommen, wie die Polizei mitteilte. Dem Times-Bericht zufolge trug er eine elektronische Fußfessel.
Nach Mittätern fahndete die Polizei zunächst nicht. Es werde aber mit Hochdruck ermittelt, um herauszufinden, ob weitere Personen an der Tat beteiligt waren, hieß es in einer Mitteilung von Scotland Yard. Eine Wohnung in der Grafschaft Staffordshire in Mittelengland wurde im Rahmen der Ermittlungen durchsucht. Die Polizei twitterte, die umfangreichen Absperrungen würden wohl noch einige Zeit in Kraft bleiben. Die Öffentlichkeit solle die Gegend meiden.
Begonnen hatte der Angriff am Freitag der Polizei zufolge in der Fishmonger‘s Hall, wo der Attentäter an einer Konferenz über Resozialisierung der Universität Cambridge mit dem Titel „Learning Together“ (Gemeinsam lernen) teilgenommen hatte. Er endete auf der London Bridge, wo Usman K. von der Polizei erschossen wurde. Er trug einen Sprengstoffgürtel, der sich später als Attrappe herausstellte.
Männer überwältigten Attentäter
Berichten zufolge hatte der 28-Jährige gedroht, die Fishmonger‘s Hall, die ehemalige Halle der Fischhändler-Gilde in der City of London, in die Luft zu sprengen. Dort soll er begonnen haben, auf Menschen einzustechen. Er wurde dem Times-Bericht zufolge von einer Reihe von Männern in Richtung London Bridge verfolgt. Einer versuchte demnach, dem Attentäter mit einem Feuerlöscher ins Gesicht zu sprühen, ein anderer hatte sich den Stoßzahn eines Narwals geschnappt, das in der Gilde-Halle als Verzierung an der Wand hing. Gemeinsam soll es ihnen gelungen sein, dem Attentäter zwei Messer zu entwenden, die er mit Klebeband an seiner Hand befestigt hatte. Polizisten trennten schließlich die ringenden Männer und schossen auf Usman K., wie auf Videos zu sehen war, die im Internet kursierten.
Nun müsse man herausfinden, wie Usman K. das Attentat ausführen konnte, sagte der Chef der britischen Anti-Terror-Ermittler, Neil Basu. Laut der Tageszeitung The Guardian hatte der Richter bei der Verurteilung dessen Pläne als „ernsthaftes, langfristiges Projekt“ bezeichnet und gewarnt, der Mann könne ein dauerhaftes Risiko für die Öffentlichkeit darstellen. Usman K. habe zu neun Extremisten gehört, die 2012 verurteilt worden seien. Er sei mit 19 Jahren der Jüngste der Gruppe gewesen.
Ursprünglich sollte Usman K. nicht wieder freigelassen werden, es sei denn, er werde nicht mehr als Bedrohung angesehen. Diese Bedingung sei später aufgehoben worden.
Erinnerungen an Sommer 2017
Der Anschlag weckt böse Erinnerungen an den Sommer 2017. Damals starben in der britischen Hauptstadt acht Menschen, als Terroristen mit einem Transporter erst drei Menschen auf der London Bridge umfuhren und anschließend fünf weitere am Borough Market erstachen. Polizisten erschossen die drei Täter. Im März desselben Jahres fuhr ein Angreifer mit einem Auto auf der Westminster Bridge in mehrere Fußgänger, vier Passanten starben. Der Mann erstach zudem einen Polizisten, ehe er von Beamten erschossen wurde. (APA, dpa)