IS reklamiert Messerattacke in London für sich

Nach dem Anschlag mit zwei Todesopfern in London in Großbritannien hat sich die Jihadistenmiliz IS zur Tat bekannt. Unterdessen ist eine Debatte über die routinemäßige vorzeitige Entlassung von Häftlingen entbrannt. Der Attentäter Usman Khan, der am Freitag eine Frau und einen Mann auf der London Bridge tötete, war ein verurteilter Terrorist, der vorzeitig auf freien Fuß gekommen war.

Drei weitere Menschen, ein Mann und zwei Frauen, wurden bei dem Angriff verletzt. Der Zustand einer Person wurde am Samstag als kritisch beschrieben, stabilisierte sich im Laufe des Tages aber. Der Attentäter war von Passanten überwältigt und schließlich von der Polizei erschossen worden. Er trug einen Sprengstoffgürtel, der sich später als Attrappe herausstellte.

Der IS beanspruchte den Anschlag am Samstag für sich. Der Täter gehöre „zu den Kämpfern des IS“ und sei Aufrufen zu Angriffen auf Bewohner jener Länder gefolgt, die der internationalen Anti-IS-Koalition angehören, erklärte Amaq, das Propagandaorgan des IS, am Samstag im Messengerdienst Telegram. Der Terrorexperte Peter Neumann vom Londoner King‘s College hält die Mitteilung für echt. Er gab aber zu bedenken, dass es sich lediglich um eine Behauptung der Terrormiliz handle. Sie beinhalte keine Details oder Täterwissen.

Die Entlassung Usman Khans vor rund einem Jahr war Medienberichten zufolge routinemäßig erfolgt. Die zuständige Kommission (Parole Board) teilte am Samstag mit, sie sei nicht an der Entscheidung beteiligt gewesen. Premierminister Boris Johnson sprach sich bei einem Besuch am Tatort am Samstag für härtere Strafen für Schwer- und Gewaltverbrecher und gegen vorzeitige Haftentlassungen aus. „Wir plädieren dafür, dass die Leute die Haftstrafe absitzen sollte, zu der sie verurteilt wurden“, sagte der konservative Regierungschef. Er lobte Einsatzkräfte und Passanten, die geholfen hatten, den Attentäter zu stoppen.

Bürgermeister Sadiq Khan von der oppositionellen Labour Party hinterfragte, ob die zuständigen Behörden ausreichend Mittel zur Verfügung hätten, um gefährliche Personen zu überwachen. Unklar ist, wie das Thema den laufenden Wahlkampf beeinflussen wird. Am 12. Dezember wählen die Briten ein neues Parlament. Für Samstag wurden mehrere Wahlkampfveranstaltungen abgesagt.

Der 28 Jahre alte Usman Khan hatte der Tageszeitung „The Times“ zufolge einen Anschlag auf die Londoner Börse geplant, bevor er 2012 zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde. Außerdem wollte er demnach im pakistanischen Teil Kaschmirs ein Trainingscamp für Terroristen aufbauen. Er war bereits im Dezember 2018 unter Bewährungsauflagen auf freien Fuß gekommen, wie die Polizei mitteilte. Dem „Times“-Bericht zufolge trug er eine elektronische Fußfessel. Von weiteren Tätern ging die Polizei nicht aus.

Begonnen hatte der Angriff am Freitag der Polizei zufolge kurz vor 14 Uhr (Ortszeit) in der Fishmonger‘s Hall, wo der Attentäter an einer Konferenz über Resozialisierung der Universität Cambridge mit dem Titel „Learning Together“ (Gemeinsam lernen) teilgenommen hatte. Der Angriff endete nur wenige Minuten später auf der London Bridge, wo Usman Khan von der Polizei getötet wurde.

Berichten zufolge hatte der 28-Jährige gedroht, die Fishmonger‘s Hall, die ehemalige Halle der Fischhändler-Gilde in der City of London, in die Luft zu sprengen. Dort soll er begonnen haben, auf Menschen einzustechen. Er wurde dem „Times“-Bericht zufolge von einer Reihe von Männern in Richtung London Bridge verfolgt. Einer sprühte dem Attentäter mit einem Feuerlöscher ins Gesicht, ein anderer hatte sich den Stoßzahn eines Narwals geschnappt, der in der Gilde-Halle als Verzierung an der Wand hing. Gemeinsam soll es ihnen gelungen sein, dem Attentäter zwei Messer zu entwenden, die er mit Klebeband an seinen Händen befestigt hatte.

Einer der mutigen Zivilisten soll Berichten zufolge ein zu lebenslanger Haft verurteilter Mörder gewesen sein, der für die Konferenz Freigang erhalten hatte. Polizisten trennten schließlich die ringenden Männer und schossen auf Usman Khan, wie auf Videos zu sehen war, die im Internet kursierten.

Königin Elizabeth II. dankte Polizei und Rettungskräften und den „mutigen Personen“, die „ihre eigenen Leben aufs Spiel gesetzt haben, um anderen selbstlos zu helfen und sie zu schützen“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drückte sein Beileid aus. „Ich bekräftige nachdrücklich unsere Entschlossenheit, gemeinsam gegen diejenigen zu kämpfen, die uns mit Terror und Gewalt erreichen wollen“, erklärte der französische Staatschef auf Twitter.

Nun müsse man herausfinden, wie Usman Khan das Attentat habe ausführen können, sagte der Chef der britischen Anti-Terror-Ermittler, Neil Basu. Laut der Tageszeitung „The Guardian“ hatte der Richter bei Usman Khans Verurteilung dessen Pläne als „ernsthaftes, langfristiges Projekt“ bezeichnet und gewarnt, der Mann könne ein dauerhaftes Risiko für die Öffentlichkeit darstellen. Usman Khan habe zu neun Extremisten gehört, die 2012 verurteilt worden seien. Er sei mit 19 Jahren der Jüngste der Gruppe gewesen.

Ursprünglich sollte Usman Khan nicht wieder freigelassen werden, es sei denn, er werde nicht mehr als Bedrohung angesehen. Diese Bedingung sei später aufgehoben worden.

Der Anschlag weckt böse Erinnerungen an den Sommer 2017. Damals starben in der britischen Hauptstadt acht Menschen, als Terroristen mit einem Transporter erst absichtlich drei Menschen auf der London Bridge überfuhren und anschließend fünf weitere am Borough Market erstachen. Polizisten erschossen die drei Täter. Im März desselben Jahres fuhr ein Angreifer mit einem Auto auf der Westminster Bridge in mehrere Fußgänger, vier Passanten starben. Der Mann erstach zudem einen Polizisten, ehe er von Beamten erschossen wurde.