Proteste im Irak trotz Rücktrittsankündigung des Premiers
Im Irak haben Regierungskritiker ihre Proteste trotz des angekündigten Rücktritts von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi fortgesetzt. In Bagdad und im Südirak gingen die Menschen am Samstag erneut auf die Straße. Im südirakischen Nassiriya zündeten Demonstranten auf drei Brücken über den Euphrat Reifen an, Hunderte kamen im zentralen Protestlager in der Innenstadt zusammen.
Nach dem blutigsten Tag seit Beginn der Proteste mit 46 Toten am Donnerstag hatte Abdel Mahdi hatte am Freitag seinen Rücktritt angekündigt. Seit Oktober gehen die Menschen gegen die Regierung auf die Straße; es ist die größte Protestbewegung seit dem Sturz von Machthaber Saddam Hussein 2003. Die Gewalt war eskaliert, nachdem Demonstranten aus Wut über die Unterstützung Teherans für Abdel Mahdi das iranische Konsulat in Nadjaf angezündet hatten.
In Nadjaf war die Lage am Samstag relativ ruhig. Allerdings gehen die Demonstranten dort meist am Nachmittag und Abend auf die Straße. In der Stadt Kerbala bewarfen junge Demonstranten die Sicherheitskräfte in der Nacht zum Samstag mit Brandbomben.
In Diwaniya gingen tausende Menschen am Morgen auf die Straße und forderten den „Sturz des Regimes“. „Abdel Mahdis Rücktritt ist nur der erste Schritt, jetzt müssen alle korrupten Leute entfernt und verurteilt werden“, sagte ein Demonstrant.
Am Samstag wurden Augenzeugen zufolge mindestens 16 Menschen verletzt, als Sicherheitskräfte in der südirakischen Stadt Nassiriya das Feuer auf Demonstranten eröffneten. Die Protestierenden hatten laut Augenzeugen versucht, eine Polizeiwache zu stürmen. In Nassiriya war es in den vergangenen Tagen bereits zu tödlichen Zusammenstößen zwischen den beiden Seiten gekommen. Zwei Polizisten wurden am Samstag zudem durch Schüsse verletzt.
Bei den seit Oktober andauernden Protesten gegen Korruption, Klientelismus und Misswirtschaft wurden in Bagdad und dem Süden des Landes inzwischen mehr als 420 Menschen getötet und über 15.000 verletzt. Die Demonstranten fordern eine neue Regierung ohne Vertreter etablierter Parteien. Der Rücktritt des parteilosen Regierungschefs Abdel Mahdi, der erst vor einem Jahr an die Macht gelangt war, dürfte sie kaum zufriedenstellen.
Mahdi drängte am Samstag auf die rasche Ernennung eines Nachfolgers, um das Land nach wochenlangen Protesten mit Hunderten Toten wieder zu beruhigen. Sofern das Parlament sein Rücktrittsgesuch annehme, werde das Kabinett die Amtsgeschäfte weiterführen, bis ein Nachfolger bestimmt sei, sagte Abdel Mahdi in Bagdad.
Das Parlament soll am Sonntag über Mahdis Rücktrittsgesuch abstimmen. „Das Abgeordnetenhaus wird erpicht darauf sein, die geeignete Alternative so schnell wie möglich zu finden“, sagte Abdel Mahdi nach einer Dringlichkeitssitzung des Kabinetts in Bagdad. Denn eine geschäftsführende Regierung könne der Irak unter den „derzeitigen Umständen“ nicht ertragen. Das Parlament solle sein Vertrauen in einen neuen Ministerpräsidenten und eine neue Regierung legen, sagte Abdel Mahdi, der sein Amt im Oktober 2018 angetreten hatte.