Stardirigent Mariss Jansons gestorben
Der lettische Stardirigent Mariss Jansons ist in der Nacht auf Sonntag 76-jährig in St. Petersburg an Herzversagen gestorben, bestätigte seine Künstleragentur der APA. Jansons hat im Laufe seiner Karriere alle wichtigen Orchester der Welt dirigiert, seit 2003 stand er an der Spitze des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. „Wir sind unfassbar traurig“, heißt es auf dessen Internetseite.
Jansons gehörte zu den renommiertesten Dirigenten seiner Generation und war gleichzeitig unter den „Stardirigenten“ einer der wenigen, der praktisch keinerlei Starallüren hatte. Er kämpfte schon seit Jahren mit gesundheitlichen Problemen, zuletzt musste er Konzerte mit den Wiener Philharmonikern nach einem Riss der Achillessehne absagen.
Mariss Jansons wurde am 14. Jänner 1943 als Sohn des Dirigenten Arvid Jansons und der jüdischen Mezzosopranistin Iraida im Ghetto von Riga geboren. Er studierte mit Auszeichnung Violine, Klavier und Dirigieren am Konservatorium Leningrad. 1969 setzte er seine Ausbildung in Wien bei Hans Swarowsky und in Salzburg bei Herbert von Karajan fort. Zwei Jahre später siegte er im internationalen Herbert-von-Karajan-Wettbewerb in Berlin.
1985 wurde er Chefdirigent der St. Petersburger Philharmoniker, zwischen 1979 und 2000 nahm unter seiner Leitung das Philharmonische Orchester in Oslo eine viel beachtete Entwicklung. Bereits 1996 erlitt er während eines „Boheme“-Dirigates in Oslo einen Herzinfarkt, kurz darauf im Spital einen zweiten.
Nach einer siebenmonatige Zwangspause trat er keineswegs leiser: 1997 bis 2004 war er in den USA musikalischer Direktor beim Pittsburgh Symphony Orchestra, 2003 wurde er Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Von 2004 bis 2015 leitete er außerdem das Königliche Concertgebouw Orchester in Amsterdam.
Als überaus gefragter Gastdirigent hat er in den vergangenen Jahren mit praktisch allen bedeutenden Orchestern der Welt zusammengearbeitet. Dazu gehörten nicht zuletzt die Wiener Philharmoniker, deren Neujahrskonzert Jansons 2006, 2012 und zuletzt 2016 leitete und deren Ehrenmitglied er seit 2018 war. Einen letzten großen Triumph feierte der Lette mit den Wienern im Vorjahr bei den Salzburger Festspielen, als er Peter Tschaikowskys „Pique Dame“ bei den Festspielen dirigierte. Damals wurde er mit der Festspielnadel der Salzburger Festspiele quasi zum Ehrenmitglied erkoren. Nächstes Jahr, zum 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele, hätte Jansons dort „Boris Godunow“ dirigieren sollen.
Der stets konziliante, selbstironische Dirigent wurde vielfach geehrt: Er war etwa Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London, der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst und des Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. 2017 wurde ihm die renommierte Goldmedaille der britischen Royal Philharmonic Society zugesprochen, erst im Oktober wurde er mit dem Opus Klassik für das Lebenswerk ausgezeichnet.
Vertreter aus Klassik und Politik haben mit Betroffenheit auf Jansons Tod reagiert. „Ihr Talent wird immer im Sternbild Lettlands und der Weltmusik bleiben und in unseren Herzen“, twitterte Staatspräsident Egils Levits. Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics dankte dem Maestro „für seine Liebe und Hingabe zur Musik, für seine positive Energie und Inspiration“. „Mit Mariss Jansons verlieren wir einen der ganz großen Dirigenten unserer Zeit“, sagte Bayerns Kunstminister Bernd Sibler und lobte auch dessen Fähigkeit, besonders Junge für Musik zu begeistern. Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, nannte Jansons einen „Ausnahmekünstler“. Dank ihm seien das dortige Symphonieorchester und den Chor in die Liga der besten Klangkörper der Welt aufgestiegen, auch der Bau eines neuen Konzerthauses in München in den nächsten Jahren sei ihm zu verdanken.
Wiener-Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer sprach am Sonntag vor dem Abokonzert des Klangkörpers von einer „traurigen und erschütternden Nachricht“. Mit Ehrenmitglied Mariss Jansons habe die Philharmoniker „eine jahrzehntelange enge künstlerische Partnerschaft und eine tiefe persönliche Freundschaft“ verbunden. „Jedes einzelne Konzert war eine Erfahrung, die wir für immer in unserem Herzen bewahren werden. Wir werden ihn sehr vermissen“, schrieb der Wiener Singverein auf Twitter. Und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz beschied über Jansons: „Ihn verband eine ganz besondere Beziehung mit Österreich, insbesondere mit den Wiener Philharmonikern und den Salzburger Festspielen. Wir sind stolz darauf, dass auch der ORF mehrfach mit Maestro Jansons in Radio und Fernsehen zusammenarbeiten konnte.“
Der ORF ändert in memoriam Mariss Jansons sein Programm: Der „Kulturmontag“ (2. Dezember ab 22.30 Uhr in ORF 2) bringt einen Nachruf auf den lettischen Stardirigenten, die „matinee“ am 8. Dezember zeigt um 9.05 Uhr Robert Neumüllers Porträt „Mariss Jansons - Musik ist die Sprache von Herz und Seele“ und ORF III plant u.a. für Montag eine „Kultur Heute“-Spezialsendung um 19.45 Uhr. Auf Ö1 wird am Montag im „Pasticcio“ (8.20 Uhr) und in „Des Cis“ (11.30 Uhr) an Mariss Jansons erinnert, außerdem ist am 7. Dezember „Apropos Klassik“ (15.05 Uhr) dem Dirigenten gewidmet.