Die gute Geschichte: „Pflege ist sehr kräftezehrend“
Sind es anfangs die Eltern, die ihre Kinder umsorgen, wendet sich später das Blatt oft. In Teil 17 unserer „guten Geschichten im Advent“ spricht eine Tiroler Familie über ihre Erfahrungen.
Karres –„Es tut gut, wenn man spürt, dass einen die Eltern, die wir als Kinder gebraucht haben, jetzt umgekehrt brauchen. Gebraucht zu werden, hilft einem über viel Schweres hinweg und gibt Zuversicht“, sagt Silvia Stinig aus Karres. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Bernhard kümmert sie sich um ihre pflegebedürftigen Eltern.
Vor fünf Jahren wurde bei ihrer heute 82 Jahre alten Mutter Demenz festgestellt. „Uns ist aufgefallen, dass verschiedene Dinge wie Aufräumen oder Putzen nicht mehr erledigt werden, obwohl meine Mutter sonst immer sehr ordentlich war“, erzählt Stinig. Der Hausarzt habe die Symptome erkannt und auf die Gedächtnisambulanz verwiesen, wo schließlich Demenz diagnostiziert wurde. Es war genau zu jener Zeit, als Silvia selbst ihre Pension antrat. Für sie und ihren Mann Bernhard ein beklemmendes Gefühl, dass ausgerechnet zu Pensionsantritt die neu gewonnene Freiheit wieder zu schwinden drohte: „Kochen, Bügeln und Putzen sind für mich kein Problem, aber nicht mehr für ein paar Tage wegfahren zu können, belastete mich anfangs sehr.“ Auch Silvias Vater Rudolf hat Gedächtnisschwierigkeiten und ist nach mehreren Operationen körperlich in einem schlechten Zustand. Der 85-Jährige genießt es besonders, mit Schwiegersohn Bernhard mehrmals wöchentlich ins Pitztal zu fahren, um dort spazieren zu gehen: „Es ist der beste Schwiegersohn, den man sich wünschen kann“, sagt Schwiegermutter Dora über Bernhard. Am Anfang haben sich Silvia und Bernhard gewehrt, die ganze Last auf sich zu nehmen, mittlerweile haben sie sich mit der Situation abgefunden.
Wenn sie ein paar Tage wegfahren, kommen die Kinder und Schwiegerkinder sowie Claudia Krug vom Verein „Vaget“, die eine große Unterstützung ist, zu den Großeltern. „Leider gibt es aktuell keine Unterstützung vom Land, die es ermöglicht, dass jemand für die Kurzzeitpflege zu uns nach Hause kommt“, meint Silvia. „Es wäre aber auch für unsere Gesundheit wichtig, ein paar Tage im Jahr eine Auszeit zu nehmen, da die Pflege sehr kräftezehrend für uns ist.“ Die Kurzzeitpflege in einem Heim ist derzeit aufgrund der fremden Umgebung nicht möglich.
Auch wenn der Alltag oft nicht leicht ist, die Eltern bzw. Schwiegereltern in ein Heim zu geben, ist für Bernhard und Silvia keine Option: „Solange es irgendwie geht, wollen wir sie in ihrem Umfeld behalten“, so beide unisono. Inzwischen haben sich die pflegenden Angehörigen auch „Tricks“ angeeignet, wie sie mit der Krankheit umgehen: „Das Wichtigste war von Anfang an, meine Eltern wertschätzend zu behandeln und sie nicht bloßzustellen“, sagt Silvia.
Tipps im Umgang mit der Krankheit und die Möglichkeit, sich auszutauschen, haben Silvia und Bernhard in der Beratungsstelle der Caritas für pflegende Angehörige in Imst. Dort werden Einzelgespräche, Kurse und ein Angehörigencafé mit Demenzberaterin Melanie Albrecht angeboten. „Oft kommen Angehörige ganz aufgelöst zum Treffen und gehen ganz anders wieder heim, weil es einem durch das Gespräch mit anderen schon besser geht“, freut sich Bernhard auf die zweiwöchigen Treffen. Er sei durch den Austausch mit anderen entspannter geworden: „Durch das Angehörigencafé haben wir gelernt, besser mit schwierigen Situationen umzugehen. Der Austausch hilft uns, die Erkrankung aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und toleranter mit uns selbst und den Eltern zu werden. Trotz aller Aufgaben und Hindernisse, die wir gemeinsam bewältigen, möchten wir die Momente, die wir zusammen als Familie erleben dürfen, nicht missen.“ (TT)