Kunstwerkstatt

Aus alt wird neu: Wolfgang Wallner ist Vermittler zwischen Werten

Künstler Wolfgang Wallner verwandelt vermeintlichen Müll in Lampen, Kunstwerke und Möbel.

Zurückgelassene Dinge erhalten in der neu eröffneten Kunstwerkstatt von Wolfgang Wallner in Hall einen Mehrwert. Gegensätze faszinieren ihn dabei ebenso wie Mensch und Natur.

Von Deborah Darnhofer

Hall i. T. –Ein alter, verrosteter Mülleimer verwandelt sich in eine hell leuchtende Wohnzimmerlampe. Kratzige Metallteile, Bremsbeläge von der Eisenbahn, werden in weißen Filz gebettet und muten wie ein mythologischer Fisch an. Kleine und große Holzschubladen finden in einer Kommode Unterschlupf.

In seiner neuen Kunstwerkstatt in Hall fügt Wolfgang Wallner (43) zusammen, was unterschiedlicher nicht sein könnte. Kraftobjekte und Wohnskulpturen nennt er seine Arbeiten. Ursprünglich waren es vom Menschen zurückgelassene, weggeworfene oder am Flohmarkt verkaufte Dinge. Diese kombiniert Wallner zu Lampen, Möbeln, Siebdrucken, Bildern und Skulpturen.

© Wallner

Zu Beginn seiner Arbeit habe er sich ganz auf natürliche Materialien konzentriert. „Doch jetzt sehe ich, dass wir Menschen Teil der Natur sind und überall eingreifen.“ Das sei zwar nicht immer schön, „doch gleichzeitig können aus diesen menschlichen Fehlern und unserem Abfall auch neue Möglichkeiten entstehen“.

Bei der Eröffnung seiner Werkstatt Anfang Dezember staunten Besucher nicht schlecht. „Was, aus dem alten Zeug lässt sich so was Schönes machen?“, war nicht nur einmal zu hören. In den Augen der Außenstehenden ist es oft Müll, den Wallner im liebevoll umgebauten Feuerwehrmagazin an der Salzburger Straße neues Leben einhaucht. Damit würde er unter den neumodischen Begriff „Upcycling-Künstler“ fallen. So will er sich aber nicht verstanden wissen, „weil das suggeriert, dass die Sachen davor wertlos gewesen sind – und das finde ich nicht“, sagt Wallner.

Der Haller, der im Brotberuf Veranstaltungstechniker ist und Jahre zuvor Menschen mit geistigen Behinderungen betreut hat, bemüht sich um einen wertfreien Blick auf das Zurückgelassene und Weggeworfene. Dadurch offenbaren sich ihm Werte, die in den Dingen stecken und die er ästhetisch betonen will. Zentrale Themen sind „Transformationsprozesse und Entwicklungsstufen“ der Dinge. Die Natur und ihre Kraft spielen eine besondere Rolle.

© Wallner

Zum Beweis führt er in sein kleines Schweißerzimmer im Erdgeschoß und zeigt auf ein verrostetes Metallbrett. Das hatte er einmal aus dem Vomperbach gefischt, wie er mit strahlenden Augen erzählt. „Spitze Steine haben Spuren, Strichlinien und damit ein Muster darauf hinterlassen. Das gibt für mich eine inte­ressante natürliche Struktur, die ich selbst nie so hinbekommen könnte“, meint der 43-Jährige. Das Kunstwerk, das sich daraus ergeben wird, ist im Entstehen begriffen und wird noch geheim gehalten.

Ein längliches Holzbrett, das von einer Gattersäge zerfurcht wurde – „rutch, rutch“, macht Wallner das Schneidgeräusch nach –, steht hingegen bereit zum Verkauf. Mit einem Metallkeil und vier Beinen versehen ist es zum Couchtisch geworden. Trotz seiner Umformungen versucht er „nicht zu sehr in das Wesen der Dinge“ einzugreifen. Der Haller hat sich durch seine Ausbildungen in Traditioneller Chinesischer Medizin und Shiatsu von fernöstlicher Philosophie inspirieren lassen. Dem Prinzip des japanischen „wabi-sabi“, bei dem das Authentische, Unperfekte und stetig Wandelbare in den Dingen anerkannt wird, kann er viel abgewinnen. Werkstücke „verheiratet“ er mit anderen Fundstücken. Ski aus Holz sind nun in einer Garderobe zusammengefasst. Ein Entlüftungskamin der Saline dient als Schrein.

„Gegensätze treten miteinander in Funktion.“ Sein Konzept fasst Wallner sehr weit auf. „Das erleben wir auch in menschlicher Kommunikation. Ein sinnvolles Gespräch kann ich nur mit jemandem führen, der zu mir zwar eine Verbindung hat, aber trotzdem nicht der Gleiche ist.“ Dieses wertschätzende Miteinander, obwohl Gegensätze bestehen, ist Wallner ein künstlerisches wie gesellschaftspolitisches Anliegen. Das sei wichtig, „um kapitalistischen Auswüchsen“ ein Stück weit entgegentreten zu können. „In Zukunft wäre es notwendig, gesellschaftliche Strukturen und den Umgang mit Ressourcen zu überdenken und nonmonetäre Strukturen weiter zu pflegen.“

Dingen neue Formen der Nutzung zu geben, statt stets Neues zu kaufen. Das rückt für ihn in den Vordergrund. Wallner will deshalb im Herbst 2020 auch ein „Repair Café“ in Hall initiieren und bittet ortsansässige Handwerker und Reparatur-Talente, sich bei ihm zu melden. „Zum einen kommt dadurch Selbstermächtigung zustande. Denn durch ständigen Konsum und immer neuere Produkte, die oft nicht werthaltig und für Langlebigkeit gemacht sind, werden wir in Abhängigkeiten gebracht. Zum anderen ist es ein Miteinander, weil sich Menschen austauschen und gegenseitig helfen.“ Selbst tätig sein, Fähigkeiten erlernen und sich Wissen aneignen sind für ihn wichtige Werkzeuge.

Sein eigenes handwerkliches Geschick sammelte Wallner durch den Kontakt mit Experten, Tischlern, Schweißern und einigen anderen. Fehler sehe er als Potenziale. „Manche Sachen kann ich nicht und mach’ sie trotzdem. Ich weiß zum Beispiel, dass man Gusseisen nicht schweißen sollte, mache es aber trotzdem“, beschreibt er einen ästhetisch-reizvollen Aspekt in seiner Arbeit. Dem, was anderen fehlerhaft, minderwertig oder wertlos erscheint, fügt Wallner einen Mehrwert hinzu.

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