Schweizer AKW Mühleberg stillgelegt
Die Schweiz hat am Freitag einen ersten Schritt zum Ausstieg aus der Atomenergie getan. Die Betreiberfirma BKW hat das Atomkraftwerk Mühleberg westlich der Hauptstadt Bern am Freitag endgültig abgeschaltet. Der tatsächlich Atomausstieg ist laut einer Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) aber nach wie vor in weiter Ferne.
Die Schweizer hatten im Mai 2017 mit großer Mehrheit (58,2 Prozent) für den Atomausstieg und eine stärkere Förderung erneuerbarer Energien ausgesprochen. Der Bau neuer Atomkraftwerke ist in der Schweiz seit dem Vorjahr verboten, die vier noch bestehenden Kraftwerke sollen am Netz bleiben, solange sie von der Aufsichtsbehörde als sicher eingestuft werden.
Die SES-Studie deutet aber darauf hin, dass sich die Schweizer in Geduld üben werden müssen: Im Fall von Mühleberg passte beim Stilllegungsentscheid des Schweizer Energiekonzerns BKW AG 2013 alles zusammen. Vor allem erwies sich die Abschaltung als kostengünstigere Variante im Vergleich zum Weiterbetrieb. Bei den anderen Schweizer AKW (Beznau, Leinstadt und Gösgen) sei das nicht der Fall, stellten die Autoren der Studie fest. Bei diesen seien die betriebswirtschaftlichen Anreize laut Studie so, dass es sich lohne, die Stilllegung hinauszuzögern.
Ein Operateur im Kommandoraum löste in Mühleberg die Abschaltung zu Mittag aus, wie Fernsehbilder zeigten. Die BKW hatte sich 2013 entschlossen, das AKW stillzulegen. Die geforderten Nachrüstungen hätten sich nach ihrer Einschätzung nicht mehr rentiert. In den vergangenen Jahren wurde die Einstellung des Leistungsbetriebs eingehend geplant. Im Sommer 2018 wurde der Kern für den letzten, 15-monatigen Betriebszyklus mit Brennelementen beladen. Dabei wurde die Brennstoffmenge so berechnet, dass sich die Leistung des AKW seit Mitte November langsam reduzierte.
Freitagfrüh begann die BKW damit, ihr Atomkraftwerk Schritt für Schritt herunterzufahren, indem Steuerstäbe zwischen die Brennstoffelemente mit Uran eingeführt wurden. Als um 12.30 Uhr zwei rote Knöpfe betätigt wurden, wurde der letzte Steuerstab zwischen die Brennelemente gefahren. Damit wurde die Kettenreaktion unterbunden und der Reaktor abgeschaltet. Der Vorgang dauerte drei Sekunden.
Anfang 2020 beginnt dann der Rückbau des AKW, der mehr als ein Jahrzehnt andauern wird. Erst 2030 wird das Areal frei von radioaktivem Material sein - und erst 2034 wird in Mühleberg wieder eine grüne Wiese stehen - eine Fläche von elf Fußballfeldern, bereit für eine neue Nutzung.
Der Bau des Atomkraftwerks unterhalb des Wohlensees begann im Jahr 1967. Der kommerzielle Betrieb wurde am 6. November 1972 aufgenommen. Seither produzierte die Anlage unterhalb des Wohlensees rund 130 Milliarden Kilowattstunden Strom. Gesamtschweizerisch trug Mühleberg mit fünf Prozent zur Stromproduktion bei. Damals galt Atomkraft landläufig als saubere Energie. Atomgegner verschafften sich ab den 1970er-Jahren Gehör - mit Demonstrationen, Mahnwachen und dem „Atomkraft? Nein danke“-Button. Doch erst nach zwei verheerenden Reaktorunfällen - 1986 in Tschernobyl, 2011 in Fukushima - setzte sich der Gedanke einer Energiewende politisch durch.
Nach Fukushima ordnete die Schweizer Atomaufsicht an, dass die Kernkraftwerke bei der Sicherheit nachbessern müssen. 2013 zog der Mühleberg-Betreiber die Konsequenzen und kündigte an, den Betrieb 2019 einzustellen, weil sich die geforderten Nachrüstungen nicht lohnen würden.
Nach dem Aus für das AKW Mühleberg drängen die Grünen auf die Abschaltung des nächsten Atomkraftwerks. Nun müsse Beznau vom Netz, forderten grüne Nationalratsmitglieder am Freitag im Bundeshaus. „Nach Mühleberg: Ciao Beznau“ stand auf Transparenten zu lesen, welche die Grünen in die Höhe hielten.
Ähnlich sieht es die Umweltorganisation Greenpeace. Sie gratulierte der Mühleberg-Betreiberin BKW zu ihrem „weittragenden Entscheid“ und nahm zugleich die Politik und die anderen AKW-Betreiber in die Pflicht. Nun brauche es verbindliche Abschaltdaten für die vier restlichen Reaktoren des Landes, forderte Greenpeace in einem Communiqué. „Wenn sich die Stromkonzerne nicht über eine entsprechende Roadmap einigen können, muss der Bund das Heft wieder in die Hand nehmen.“