Wohnungsvergabe: Bürgermeister wollen neue Landesrichtlinie boykottieren
Vorgaben zur Wohnungsvergabe werden von vielen Gemeinden vorerst nicht umgesetzt. Sie befürchten einen großen Eingriff in die Gemeindeautonomie.
Von Manfred Mitterwachauer
Innsbruck – Mit 1. Jänner tritt die neue Wohnungsvergaberichtlinie des Landes in Kraft. Das hat die Landesregierung am Dienstag so beschlossen. Die zuständige Landesrätin Beate Palfrader (VP) will, dass alle 279 Gemeinden diese auch umsetzen. Damit dürfte künftig ausschließlich der Gemeinderat über die Vergabe einer Sozialwohnung entscheiden. Nicht mehr der Gemeindevorstand. Das Hauptwohnsitzkriterium würde zurückgedrängt.
Doch die Bürgermeister denken derzeit gar nicht daran, diese Richtlinie umzusetzen. Das ergab ein TT-Rundruf. „Vorerst werden wir gar nichts ändern“, sagt etwa der Schwazer Bürgermeister Hans Lintner. Ähnlich tönt es aus Zirl, Telfs, Wattens, Wörgl und Kufstein. Der Grundtenor: Mit den bestehenden, von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlichen Regelungen sei bereits ein gutes Auslangen zu finden. Gerade die Wohnungsvergabe verlange mitunter flexibles und schnelles Handeln – der Gemeinderat als Gremium könne dies aber nicht garantieren. Die Landesrichtlinie stehe auch im Widerspruch zur Gemeindeordnung, warnt der Gemeindeverband. Die grün regierte Landeshauptstadt indes will die Richtlinie umsetzen.
Gemeinden steigen auf Barrikaden
Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf (VP) hat seine Bedenken gegen die neue Wohnungsvergaberichtlinie des Landes bereits am Dienstag via TT geäußert. Nun hat er diese auch allen Bürgermeistern postalisch mitgeteilt. Man sei stets davon ausgegangen, dass diese lediglich eine „Orientierungshilfe“ und kein „zwingend einzuhaltendes Regelwerk“ darstellen solle: „Genau das Gegenteil scheint jedoch nunmehr beabsichtigt zu sein.“ Zudem laufe die Richtlinie in einigen Punkten der Tiroler Gemeindeordnung zuwider. Sodass künftig die Wohnungsvergabe zwingend durch den Gemeinderat zu erfolgen habe. In vielen Gemeinden hat dieser die Aufgabe aber an den Gemeindevorstand delegiert. Die zuständige Landesrätin Beate Palfrader (VP) will damit aber die Vergabetransparenz forcieren. Schöpf empfiehlt den Verbandsmitgliedern, „so wie bisher gemeindespezifische Gegebenheiten in das Vergabeprocedere einfließen zu lassen“. Ein Aufruf, der jetzt starken Widerhall findet.
Die Stadt Schwaz verfügt über 500 Gemeindewohnungen und weitere 3000 Sozialwohnungen, wo sie über das Vergaberecht verfügt. „Wir haben bereits ein gutes Regelwerk“, will sich Bürgermeister Hans Lintner die Richtlinie zwar anschauen, Handlungsbedarf bei sich sieht Lintner derzeit aber keinen.
Dass in der Wohnungsvergabe gar Willkür herrsche, diesen unterschwelligen Vorwurf will BM Martin Krumschnabel für Kufstein so nicht stehen lassen: „Unser Wohnungsausschuss ist paritätisch besetzt. Alle Beschlüsse fallen einstimmig.“ Rund 700 Interessenten stünden in Kufstein auf einer Warteliste. 100 Wohnungen können pro Jahr vergeben werden. Dass „der Verwaltung eines Mangels“ mit einem reinen Punktesystem Herr zu werden ist, bezweifelt Krumschnabel: „Einem guten Rat bin ich hier nicht abgeneigt, aber das Land kann uns keine Weisung erteilen.“
Gar keine Richtlinien hat Wattens – bei über 500 zu vergebenen Gemeindewohnungen. „Jede einzelne Vergabe wird bei uns sehr offen diskutiert“, sagt BM Thomas Oberbeirsteiner. Ob man die Landesrichtlinie einführen wird? „Darüber müssen wir erst diskutieren.“ Vor Februar passiere da sicher nichts. Wörgls BM Hedi Wechner braucht da erst gar nicht lange zu überlegen. Man habe eine funktionierende Richtlinie. Punkt. Dass künftig der Gemeinderat entscheiden soll, sei „schlicht unmöglich“. Dieser tage zu selten, der Vergabeausschuss dagegen alle zwei Wochen – ein „zeitlicher Konflikt“ sei vorprogrammiert. Darauf verweist auch Christian Härting, BM von Telfs. 20 Wohnungen vergibt Telfs pro Monat. Die Bauträger würden der Gemeinde aber Vergabefristen setzen, die vom Gemeinderat nur schwer einzuhalten seien. Telfs werde seine Hauptwohnsitzregel behalten. Die Landesvorgabe werde man „nicht umsetzen“. Und auch in Zirl verharrt man auf dem Standpunkt, dass Änderungen nicht nötig seien, wie BM Thomas Öfner sagt: „Wir sind in der Vergabe gut aufgestellt.“ Wie so viele seiner Kollegen warnt er vor einem zu großen Eingriff in die Gemeindeautonomie.
Innsbruck will indes die Vergabe vom Senat zum Gemeinderat – landesgetreu – delegieren. Ein Beschluss sei noch ausständig, heißt es aus dem Büro von BM Georg Willi.