Afghanischer Präsident kann mit zweiter Amtszeit rechnen
Afghanistans Staatschef Ashraf Ghani steht vor einer zweiten Amtszeit. Fast drei Monate nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl veröffentlichte die Unabhängige Wahlkommission am Sonntag das vorläufige Endergebnis, wonach Ghani bereits im ersten Durchgang eine absolute Mehrheit erreichte. Eine Anfechtung des Ergebnisses scheint aber wahrscheinlich.
Sein schärfster Konkurrent, Regierungschef Abdullah Abdullah, will das Ergebnis wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten nicht anerkennen. Beobachter der Abstimmung forderten die Wahlbehörde auf, für mehr Transparenz über die Ergebnisse zu sorgen.
Der Amtsinhaber habe bei dem Urnengang vom 28. September 50,64 Prozent der Stimmen errungen, teilte die Wahlkommission in Kabul mit. Regierungschef Abdullah kam den Angaben zufolge auf 39,52 Prozent. Kurz nach der Wahl hatte er sich zum Sieger erklärt. Die Wahlkommission wies ihn damals jedoch sogleich zurecht, kein Kandidat dürfe dem offiziellen Wahlergebnis vorgreifen. Insgesamt waren 18 Kandidaten zu der Wahl angetreten.
Präsidentschaftskandidat Abdullah zieht die veröffentlichten vorläufigen Ergebnisse der Wahl zum künftigen Staatsoberhaupt in Zweifel. „Wir sind das Siegerteam bei den Wahlen, basierend auf den sauberen Stimmen des Volkes“, sagte Abdullah bei einer Pressekonferenz.
Seit Wochen fordert Abdullah, es müsse geklärt werden, was es mit rund 300.000 seiner Ansicht nach ungültigen Stimmen auf sich hat. Diese Klärung sei noch immer nicht erfolgt, und man werde „kein betrügerisches Ergebnis akzeptieren“. Er erwarte von der Wahlbeschwerdekommission, dass diese sich nun der Beschwerden annehme und „betrügerische“ Stimmen für ungültig erkläre.
Bleibt es bei dem vorläufigen Resultat, hätte Ghani die Wahl bereits im ersten Wahlgang gewonnen. Allerdings können nun Beschwerden bei der Wahlbeschwerdekommission eingereicht werden. Sollte diese so viele Stimmen für ungültig erklären, dass Ghani unter die 50-Prozent-Marke fällt, wäre doch eine Stichwahl zwischen ihm und Abdullah notwendig. Wann das offizielle Endergebnis vorliegen wird ist offen. Beobachter gehen von mehreren Wochen aus.
Die unabhängige Organisation Transparent Electoral Foundation forderte die Wahlkommission auf, alle Informationen zu veröffentlichen, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Die Leiterin der Wahlkommission, Hawa Alam Nuristani, erklärte, ihre Behörde habe die Ergebnisse mit den Grundsätzen von „Ehrlichkeit, Loyalität, Verantwortung und Treue“ ermittelt.
Die UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) begrüßte die Veröffentlichung des vorläufigen Ergebnisses. Zugleich rief UNAMA die afghanische Kommission für Wahlbeschwerden dazu auf, allen Hinweisen nachzugehen und den Wahlprozess auf „glaubhafte Weise“ zu Ende zu führen.
Von den 2,7 Millionen Stimmen wurden nach Angaben der Wahlkommission letztlich nur 1,8 Millionen in die Wertung aufgenommen. Die übrigen Stimmen seien wegen Unregelmäßigkeiten nicht gezählt worden. Damit war bei der Wahl im September die bei weitem niedrigste Beteiligung bei einer Abstimmung in Afghanistan verzeichnet worden.
Zu der Wahl waren 9,6 Millionen Afghanen registriert. Insgesamt leben in Afghanistan etwa 37 Millionen Menschen. Jede dritte bei der Wahl im September abgegebene Stimme stammte nach Behördenangaben von einer Frau.
Die Abstimmung war von Gewalt überschattet worden. Afghanische Sicherheitskräfte werten den Wahltag dennoch als Erfolg, da es den radikalislamischen Taliban nicht gelang, mit einem größeren Anschlag die Schlagzeilen zu beherrschen.