„Rusalka“: Das Leiden beginnt im Gummiboot
Umjubelte Premiere von Antonín Dvoˇráks „Rusalka“ bei den Festspielen in Erl. Eine moderne Inszenierung voller Witz und Sehnsucht nach dem Leben.
Von Wolfgang Otter
Erl –Rusalka hängt am Haken. Einem, der sie nicht mehr loslässt. Der die pubertierende Meerjungfrau in eine Welt zieht, in die sie nicht passt. Nie passen wird. Es ist ein Leben, das sie nur aus Illustrierten kennt, eine glitzernde scheinbare Traumwelt, fern von ihrem Seegrund. Da hilft es nichts, dass der Wassermann mahnt und droht. Rusalka will zur Frau werden, um ihren Prinzen zu finden. Dafür nimmt sie viel in Kauf, den Verlust ihrer Stimme genauso wie die Möglichkeit, wieder zu ihresgleichen zurückzukehren. Rusalka sucht in ihrer mädchenhaften Unschuld die Liebe, wird jedoch schließlich selbst den Tod aus Liebe bringen.
Ein hochdramatischer und hochromantischer Stoff von Jaroslav Kvapil, dessen Vertonung Antonín Dvoˇrák vor mehr als 110 Jahren den Durchbruch als Opernkomponist brachte. Und am Donnerstagabend durfte damit Bernd Loebe die erste vom Publikum umjubelte Premiere in seiner neuen Intendanz bei den Erler Festspielen feiern. Ob es sein endgültiger Durchbruch in Tirol war, wird sich noch zeigen. Es war zumindest ein erster Schritt.
Denn es gelingt viel an diesem Abend. Florentine Klepper erzählt in ihrer Inszenierung (unterstützt von Bühnenbildnerin Martina Segna und Anna Sofie Tuma, Kostüme) geschickt mit vielen Ideen und etwas Witz die Leidensgeschichte der Rusalka. Da werden nicht nur die in die Bühne hineinragenden Anker (Haken?) als Verbindung zwischen oben und unten und zum Turnen verwendet. Auch ein (nein, nicht knallrotes) Gummiboot spielt eine Rolle bei der Metamorphose der jungen Nixe. Dem Prinzen kommt es ohnedies gelegen, kann er doch seine Eroberung damit an Land ziehen. Der Golfschläger wird zum Symbol der Jetset-Gesellschaft, aber auch des Scheiterns der trockengelegten Rusalka und schließlich die Waffe, mit der sie aus Verzweiflung über das Abwenden ihres Prinzen gleich die ganze feine Gesellschaft niederschlägt.
Und Bühnenbildnerin Segna vergisst auch nicht auf das Plastik am Seegrund, baut aber eine Stolperfalle ein, die die arme Rusalka um Gleichgewicht ringen lässt.
Manches Mal schenkt Klepper Dvoˇráks Musik zu wenig Aufmerksamkeit, räumt ihrer Idee den absoluten Vorrang ein. Dann tut sich ein Spalt zwischen dem Gehörten und dem Gesehenen auf. Letztlich sollte es um Dvoˇráks geniale Tonsprache gehen. Die konnte dann besonders Karen Vuong in der Titelrolle mit ihrer schönen Sopranstimme umsetzen. Von Takt zu Takt fand sie sich mehr zurecht und wuchs gemeinsam mit der Figur musikalisch und sängerisch.
Vuong hat auch noch schauspielerisches Talent. Ein Vorteil in einer Rolle, in der sie einen Akt lang tonlos agiert. Ihr zur Seite stand ein ebenso wunderschön singender Gerard Schneider als Prinz. Ein bravourös singender Bassist Thomas Faulkner als Wassermann sowie Judita Nagyová als Hexe wussten genauso zu begeistern.
Steven LaBrie als Jäger, Dshamilja Kaiser als stimmgewaltige Fürstin, Corinna Scheurle als pfiffiger Küchenjunge und nicht zu vergessen die drei so musikalischen Waldelfen Alyson Rosales, Julia Dawson und Kelsey Lauritano sowie der Festspielchor komplettierten das ausgezeichnete Ensemble.
Am Dirigentenpult stand der erst 27-jährige Alexander Prior. Er kostete die Musik aus, gab Poesie und Sehnsucht dem grandios spielenden Festspielorchester vor. Nur manchmal blieb er zu sehr im Schwelgen hängen, was Kontrast und Tempo nicht guttaten. Auch die große Musizierlust seiner Orchestermusiker konnte er nicht immer zügeln, so mussten die Sänger mehrmals gegen den Orchestergraben ankämpfen.
Rusalka ist noch heute Samstag und am Montag, 30. Dezember, zu sehen.