Ein Gloria auf die Tiroler Krippeler
Das gemeinsame Aufstellen der großen, raumfüllenden Krippenschätze als Teil der weihnachtlichen Familienkultur. „Krippeleschaugn“ als Brauchtum beibehalten.
Von Michaela S. Paulmichl
Zirl — „Der Rest mag brennen wie ein Kienspan", sind die Worte von Franz Seelos dem Älteren überliefert. Er aber konnte die Schachtel mit den Krippenfiguren retten. Das war, als der letzte große Brand 1908 nicht nur sein Haus samt Krippenberg, sondern den Großteil von Zirl zerstörte. Das Andenken an den Krippenmaler und -bauer (1873—1941) wird in seinem Heimatort in Ehren gehalten, so wie die ganze Weihnachtskrippentradition und der Brauch des „Krippeleschaugns". Nachfahre Hermann Seelos, der viele Filme darüber gedreht hat, führt in zu dieser Zeit leer geräumte Stuben, in der nun einige der schönsten Beispiele der Krippenbaukunst ihren Ehrenplatz haben.
„Kommts herein", bittet Johannes Prantl in sein Haus. Der Urenkel von Franz Seelos dem Älteren hütet den vor dem Feuer geretteten Schatz, die Krippe wird bereits in dritter Generation aufgestellt. Zwei Tage und mehr sind nötig, um die einzelnen, teils sehr schweren Teile des Krippenbergs zusammenzufügen, das Moos zu platzieren und die rund 170 Figuren.
Früher beleuchtete eine kleine Öllampe die heilige Szenerie, heute ist es ein ausgeklügeltes System, das die raumhohe Krippe abwechselnd in stimmungsvolles Licht hüllt. Die Figuren sind aus sorgfältig bemaltem Papier — ehemals Notenblätter oder Postkarten, eben alles, was zur Verfügung stand, als es nicht viel gab.
Weiter geht es ins Sozialzentrum s'Zenzi, in dem im Untergeschoß die Krippe von Anton Krömer, vulgo „Loaber", (1803—1873) steht, der Hintergrund stammt von Franz Seelos dem Jüngeren (1905—1962). Neben den kleinen, selbstgebackenen Krapfen als Gabe ans Christkind — sie dürfen in keiner Zirler Krippe fehlen — liegen in einem Korb auch einige winzige Hühnereier. Im s'Zenzi-Café gleich darüber können Besucher die sechs Meter lange, frühere Zirler Altar-Krippe bewundern.
Franz Seelos junior hatte während des Zweiten Weltkriegs ein Gelübde abgelegt: Sollte er heil heimkehren, würde er eine Krippe bauen. „Mir gefällt die Darstellung, dass Jung und Alt vertreten sind und die Tiere. Alle sind sie willkommen", erzählt Hermann Seelos, der als Kind seinem Vater half, die auf Sperrholz gemalten Figuren auszustemmen.
„I hab euch die Reiterei einig'stellt", sagt Walter Gspan, der ein paar Straßen weiter seine Tür öffnet. So werden die bei Besuchern besonders beliebten Heiligen Könige auf den Kamelen genannt, die Figuren stammen vom Osttiroler Schnitzer Alois Schätzer. Wer genau hinsieht, findet auch den Besitzer selbst in Miniaturform. Dazu gibt's ein „Gloriawasser" — ein Schnaps, mit dem angestoßen wird. „Gloria!"
Im Haus der Familie Sailer weist eine kleine Krippe mit der Herbergssuche den Weg in die Stube. Dort steht die in der Nachkriegszeit entstandene Krippe mit geschnitzten Figuren von Kaspar Falschlunger, deren Gesichter besondere Würde ausstrahlen.
Für Martin Sailer gehört das gemeinsame Aufstellen mit seinen drei Söhnen dazu, „sonst ist es kein Weihnachten". Aber Weihnachten, das ist auch — wie in anderen Krippen — die Darstellung der Randfiguren, wie hier der blinde Mann mit dem behinderten Sohn.