Türkis-Grün fixiert

Aus der Versenkung in die Regierung: Grüne krönen fulminantes Comeback

Das erfolgreiche Verhandlungsteam der Grünen. Von links: Alma Zadic, Rudi Anschober, Leonore Gewessler, Werner Kogler, Sigrid Maurer und Josef Meichenitsch.
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Die Geschichte der Bundesgrünen ist geprägt von starken Aufstiegen und schmerzlichen Abstürzen. Jetzt gelingt der Öko-Partei unter dem als „Nachlassverwalter“ eingesprungenen Werner Kogler erstmals der Sprung auf die Regierungsbank.

Wien – Im Herbst 2017 hätte wohl kaum jemand gedacht, dass die Grünen zwei Jahre später mit der ÖVP an einer neuen Regierung basteln würden. Doch oft kommt es anders: Werner Kogler übernahm die Partei nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat und führte sie zurück zu alter Stärke – und noch weiter. Das große Comeback bei der Nationalratswahl 2019 wird nun gekrönt von einer Regierungsbeteiligung.

Das Wahlkampfthema Nummer eins, nämlich Klimaschutz, brachte den Grünen im September das beste Nationalrats-Ergebnis seit Parteigründung. Mit 13,9 Prozent und 26 Mandaten wurden sie sogar so stark, dass sie alleine mit der ÖVP verhandeln konnten – ohne NEOS als Dritte im Bunde. Der nach der Schlappe als Nachlassverwalter eingesprungene Kogler konnte aber auch aus der Ibiza-Affäre Profit ziehen und wird für seine Mühen nun voraussichtlich mit dem Posten des Vizekanzlers belohnt.

1986 erstmals im Nationalrat

Erstmals in den Nationalrat gekommen waren die Grünen im Jahr 1986. Mit Wurzeln in der Anti-Atomkraft-Bewegung und im Widerstand gegen das Donaukraftwerk in Hainburg schafften sie geeint unter Freda Meissner-Blau den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde. Die Anfangsjahre waren von personellen Querelen und dem Aufeinanderprallen des linken und bürgerlichen Flügels – Fundis und Realos – gekennzeichnet.

Gleich mit vier Spitzenkandidaten, darunter Madeleine Petrovic, trat die Partei 1990 an und hielt ihre 4,8 Prozent. Geführt wurden die Grünen zu dieser Zeit noch von Bundesgeschäftsführern, weil das Prinzip der Unvereinbarkeit von politischem Mandat und Partei galt. Ironie der Geschichte: Erster eigentlicher Parteichef war Peter Pilz, der 1992 die Funktion des Bundessprechers übernahm. 2017 gründete er die „Liste Pilz“, die den Grünen fast das endgültige Aus beschert hätte.

In den 1990er Jahren übernahm nach Pilz für zwei Jahre Petrovic die Parteiführung. Mit ihr erlebten die Grünen 1994 den ersten kleinen Aufschwung auf 7,3 Prozent. Ein Jahr später folgte aber schon wieder der Absturz auf die Ausgangsbasis von 4,8 Prozent.

Hoch unter Van der Bellen – aber kein Deal mit Schüssel

Petrovic‘ Nachfolger Christoph Chorherr übergab schon vor der nächsten Wahl 1997 an Alexander Van der Bellen. Der jetzige Bundespräsident blieb elf Jahre an der Spitze der Grünen und verhalf ihnen zunächst zu einem kontinuierlichen Aufstieg. 1999 schafften die Grünen 7,4 Prozent, drei Jahre später 9,5 Prozent – und beinahe eine Koalitionsregierung mit der ÖVP unter Wolfgang Schüssel. An wem der erste Versuch einer Regierungszusammenarbeit letztlich scheiterte, ist bis heute umstritten.

Die ÖVP koalierte dann doch lieber mit der FPÖ bzw. dem BZÖ, die Grünen blieben in der Opposition und erreichten 2006 11,1 Prozent. 2008 fielen sie mit 10,4 Prozent wieder hinter die FPÖ und sogar hinter das BZÖ zurück, und die lange zur Nachfolgerin Van der Bellens aufgebaute Eva Glawischnig übernahm die Partei.

Tiefe Risse nach Abgang Glawischnigs

Glawischnig trat nur einmal als Spitzenkandidatin an, schaffte 2013 aber mit 12,4 Prozent das bis dahin beste Ergebnis bei einer Nationalratswahl. Auch bei den Europawahlen 2014 konnten die Grünen einen starken Zugewinn verbuchen, und in den Bundesländern kam es zu fünf Regierungsbeteiligungen.

Ins Tief fielen die Grünen dann im Jahr 2017. Der Abgang Glawischnigs brachte tiefe Risse zutage. Pilz legte es beim Bundeskongress auf eine Ablehnung bei der Listenerstellung an, gründete seine eigene Gruppierung und saugte (ebenso wie die SPÖ unter Christian Kern) viele Stammwähler auf. Ein eskalierender Streit mit der eigenen Parteijugend richtete ebenfalls Schaden an. Mit dem Horrorergebnis von nur 3,8 Prozent Stimmanteil erhielten die Grünen unter dem Duo Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek bei der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 die Rechnung dafür präsentiert.

Kogler holte Partei aus der Versenkung

Doch Werner Kogler holte die Grünen aus der Versenkung. Er öffnete die Partei Richtung Zivilgesellschaft, erreichte – getragen von der „Fridays For Future“-Bewegung – ein fulminantes Ergebnis bei der Nationalratswahl 2019 und stellte sich der Aufgabe von Regierungsverhandlungen mit der anfangs noch als „türkise Schnöseltruppe“ geschmähten Volkspartei. Entgegen der meisten Prognosen wurde aus Skepsis ob der weit auseinanderliegenden Programme von Grünen und ÖVP schließlich doch eine – nun unmittelbar bevorstehende – Einigung. (TT.com, APA)

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