Ukrainischer Regierungschef Gontscharuk kündigt Rücktritt an
Der ukrainische Regierungschef Alexej Gontscharuk hat nach umstrittenen Äußerungen über Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen Rücktritt eingereicht. Der Staatschef habe das Recht auf ein loyales Team, schrieb Gontscharuk auf Facebook. Selenskyjs Büro teilte mit, dass das Rücktrittsschreiben geprüft werde. Der Präsident muss dieses noch dem Parlament zur Abstimmung vorlegen.
Ob der Rücktritt die erforderliche Mehrheit von 226 Stimmen findet, gilt allerdings als ungewiss. Gontscharuk ist seit Ende August 2019 Regierungschef.
„Um jedwede Zweifel meiner Wertschätzung und meines Vertrauens gegenüber dem Präsidenten auszuräumen, habe ich eine Rücktrittserklärung geschrieben und sie dem Präsidenten übergeben“, teilte der Regierungschef am Freitag mit. Zuvor war ein Videomitschnitt veröffentlicht worden, in dem sich der 35-Jährige unvorteilhaft über Selenskyj geäußert hatte. Er hatte unter anderem gesagt, der Präsident habe eine „sehr primitive“ Vorstellung von Wirtschaft und „Nebel im Kopf“.
In dem Schreiben beteuerte Gontscharuk nun, dass unter dem Präsidenten viel erreicht worden sei. „Er ist für mich ein Beispiel an Offenheit und Transparenz.“ Er sei angetreten, um das Programm Selenskyjs umzusetzen.
Am Mittwoch waren zudem heimliche Gesprächsmitschnitte einer Beratung von Regierungsmitgliedern und der Zentralbankführung zur wirtschaftlichen Situation veröffentlicht worden. Gontscharuk hatte dabei eingestanden, in wirtschaftlichen Fragen ein totaler Laie zu sein. Daraufhin gab es von einzelnen Abgeordneten der Regierungspartei „Diener des Volkes“, die dem Oligarchen Igor Kolomoiski nahestehen, Rücktrittsforderungen an Gontscharuk.
Der 35-jährige Jurist ist der jüngste Regierungschef in der neueren Geschichte der Ukraine. Gontscharuk wurde unter Selenskyj zum stellvertretenden Leiter des Präsidentenbüros ernannt, zuvor unterstütze er noch Vorgängerpräsident Petro Poroschenko.