Buchautorin Wiesinger will keine Wutlehrerin sein
Ihr erstes Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ führte Susanne Wiesinger von einer Wiener Brennpunktschule als „Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte“ ins Bildungsministerium. Mit dem Buch „Machtkampf im Ministerium“ dürfte die Lehrerin nun ihr Rückfahrtsticket ins Klassenzimmer gelöst haben. Sich selbst sieht sich nicht als Wutlehrerin, sie brenne dafür, Probleme öffentlich zu benennen.
Sie stehe weiterhin dazu, ihr neues Buch parallel zu ihrer Tätigkeit als „Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte“ verfasst zu haben. Und sie habe auch niemanden im Bildungsministerium ausspioniert. „Ich bin kein wütender Maulwurf“, betonte sie im APA-Gespräch. Die ihr vom Ministerium zur Seite gestellten Beraterin Heidi Glück - einst Pressesprecherin von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und Kanzler Wolfgang Schüssel (beide ÖVP) - hatte Wiesinger unterstellt, sie sei „mehr Maulwurf als Ombudsfrau“ gewesen. Wiesingers Anwälte prüfen deshalb eine Klage wegen „Ehrenbeleidigung“.
Nach ihrem Erstlingswerk über Integrationsprobleme an Wiener Schulen im Zusammenhang mit dem Islam von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) als Ombudsfrau ins Ministerium geholt, machte sie sich dort nach einem Jahr mit einem unangekündigten zweiten Buch unbeliebt. „Die Parteilinie scheint wichtiger zu sein als wirkliche Hilfe für die Schüler“, lautet Wiesingers Resümee nach einem Jahr samt Zuhörtour und zahlreichen Gesprächsterminen.
Primär im Ziel ihrer Kritik stand das Kabinett im Bildungsministerium: Dort habe man kein Interesse an einer weisungsfreien und unabhängigen Ombudsstelle gehabt und habe sie ständig kontrollieren wollen. „Meine Arbeit sollte ausschließlich die politischen Positionen der Volkspartei untermauern“, so ihr im Buch geschilderter Eindruck. Folge: Knapp vor Ende ihrer befristeten Tätigkeit wurde sie freigestellt.
Sie habe das Buch mit dem Untertitel „Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört“ geschrieben, weil das Thema in ihren vielen Gesprächen mit Lehrern und Schulleitern derart dominant gewesen sei, schildert Wiesinger. Es sei als das große Problem neben mangelnder Integration vor allem muslimischer Schüler, immer schlechteren Deutschkenntnissen und Strukturproblemen gewesen. „Als offensichtlich wurde, dass das Ministerium kein Interesse an einer unabhängigen Ombudsstelle hatte, habe ich mich entschieden, die parteipolitische Einflussnahme in einem persönlichen Buch zu verarbeiten. Nur wenn man den Bericht und das Buch liest, erhält man ein vollständiges Bild.“
Das permanente Gegeneinanderarbeiten der im Schulsystem dominanten Parteien SPÖ und ÖVP habe massive Auswirkungen auf die Arbeit im Klassenzimmer. Es gebe kein Interesse an Lösungen, nur daran, ein parteipolitisches Programm durchzuziehen. Unter Lehrern und auch Direktoren ortet sie nach ihren vielen Gesprächen als Ombudsfrau hingegen einen starken Wunsch danach, Parteipolitik aus den Schulen draußen zu halten. Allein: „Außer dem Bildungsminister (dem von der ÖVP nominierten Parteifreien Heinz Faßmann, Anm.) gibt es keine parteipolitisch unabhängigen Posten in diesem System.“
Das bringe schwarze Leiter ebenso unter Druck wie rote, die ihre pädagogischen Überzeugungen der Parteilinie unterordnen müssten. „Und manchmal werden sie auch zerrieben in einem Kampf von Bildungsdirektionen (früher Landesschulräte) und Ministerium, ein Kampf Land gegen Bund, Bund gegen Land.“ Besonders extrem sei das beim schwarzen Bildungsministerium und der roten Bildungsdirektion. Die Folge: Schulleiter bekämen teils widersprüchliche Infos und Anweisungen.
Bei ihren Terminen sei es teils gar nicht so leicht gewesen, Lehrer und Schulleiter dazu zu bringen, offen über ihre Probleme zu sprechen. „Da ist ein Klima der Angst - vor Ausgrenzung, dass man isoliert dasteht, und bei Schulleitern sicher vor Konsequenzen bis zu weniger Ressourcen.“
Der SPÖ, der sie als frühere FSG-Lehrervertreterin nahesteht, stellt sie für ihre Bildungspolitik ein besonders schlechtes Zeugnis aus. „Das ist reine Opposition. Die machen Oppositionspolitik, ich finde aber sie sollen Schulpolitik machen.“
Faßmann zeigte sich am Montag erneut irritiert von der Vorgehensweise seiner Ex-Ombudsfrau: Vorwürfe, etwa dass Interview-Antworten seitens des Kabinetts vorformuliert worden sein sollen, wies er zurück: „Von mir wurden definitiv keine Antworten vorformuliert.“ Man habe lediglich versucht, der Ombudsfrau Assistenzfunktionen beiseite zu stellen. „Das ist ganz anders empfunden worden als es intendiert war.“
Die Ombudsstelle will der Minister jedenfalls weiterführen. Auch der bereits fertige Tätigkeitsbericht Wiesingers soll noch am Montag veröffentlicht werden.
Die weitere berufliche Zukunft der bei der Stadt Wien beschäftigten Pädagogin ist noch unklar: In der Wiener Bildungsdirektion will man zunächst mit dem Ministerium darüber Gespräche führen, hieß es auf APA-Anfrage. Wiesinger war für ihre Ombudsfrau-Tätigkeit als Lehrerin an einer Wiener Neuen Mittelschule (NMS) freigestellt worden. Im Regelfall kehren Pädagogen nach dem Ende einer Freistellung auf ihre alte Stelle zurück.
Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zeigen Wiesingers Schilderungen „und die empörende Reaktion des Bildungsministeriums, sie vom Dienst freizustellen, symptomatisch den Umgang der ÖVP mit den drängendsten Problemen unserer Gesellschaft“. „Ganz offensichtlich war die Anstellung Wiesingers als Ombudsfrau von der ÖVP-Message-Control als reiner PR-Gag geplant, um den Eindruck zu erwecken, die massiven Probleme im heimischen Schulwesen anzugehen, die durch immer mehr Schüler mit erheblichen Deutschdefiziten und den immensen Einfluss des Islam auf die Unterrichtsgestaltung entstehen“, so Kickl.
Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) kritisierte Wiesinger und warf ihr vor, „als Ombudsfrau nicht geschlichtet, sondern polarisiert und provoziert“ zu haben. Sie habe als Ombudsfrau „mit keinem türkischen Verein in Österreich oder einer türkischen Zeitung (...) Kontakt aufgenommen oder gesucht“.