Wiener Staatsoper

Stell dir vor, es ist Oper und der Dirigent taucht nicht auf

Valery Gergiev erschien am Sonntag erneut zu spät in der Wiener Staatsoper. Ein Ersatzmann übernahm das Dirigat des Russen.
© imago images / ITAR-TASS

Stardirigent Gergiev verpasste seinen „Lohengrin“-Termin an der Staatsoper. Theaterbetriebe sind öfter mit Ausfällen konfrontiert, auch in Innsbruck.

Von Markus Schramek

Wien, Innsbruck – Die Wiener Staatsoper ist nicht irgendein Musentempel, sondern ein Prestigeobjekt österreichischer Kulturvermittlung. Vor personellem Ungemach ist aber auch diese noble Adresse an der Ringstraße nicht gefeit. Stardirigent Valery Gergiev war am Sonntag für Wagners Oper „Lohengrin“ in der Staatsoper gebucht. Allein, der Russe tauchte nicht rechtzeitig auf. Er hat den Ruf, gerne in letzter Sekunde aufzukreuzen. Auch zum „Lohengrin“-Dirigat am 16. Jänner war er mit Verspätung erschienen: Stau auf der Autobahn. Damals wartete man die Ankunft des Maestro geduldig ab. Am Sonntag statuierte Direktor Dominique Meyer hingegen ein Exempel: Er bat ersatzweise Michael Güttler ans Dirigentenpult.

Er wolle die 2300 Besucher – darunter auch Opernfreunde aus Tirol, die der TT von dem Vorfall berichteten – nicht warten lassen, erklärte Meyer. Einspringer Güttler wurde vom Publikum gefeiert. Zuspätkommer Gergiev zog unverrichteter Dinge und ohne Gage wieder ab.

Landestheaterchef Johannes Reitmeier (l.) musste bei der „Fledermaus“ einmal als Erzähler einspringen – für einen abwesenden Sänger.
© Thomas Boehm / TT

Dass es im Opern- und Theaterbetrieb zu kurzfristigen Umbesetzungen kommt, gehört zum Geschäft. Unpünktlichkeit ist allerdings ein eher seltener Grund, warum die hektische Suche nach Ersatzleuten ausbricht.

Am Tiroler Landestheater gibt es für den Fall des Ausfalls eine eigene Stabsstelle: das Künstlerische Betriebsbüro (KBB) unter der Leitung von Operndirektorin Angelika Wolff. Sie und ihr Team kümmern sich um Ersatz für erkrankte oder sonst unpässliche Künstler und Musiker. Eine Opernarie soll schließlich „heiß“ und nicht heiser vorgetragen werden. Und ein Schauspieler, der mit angeschlagener Stimme seinen Text mehr krächzt denn artikuliert, hat auf der Bühne nichts verloren.

Zwischen fünf- und zehnmal pro Saison müssen Wolff und das KBB Feuerwehr spielen und Ersatzpersonal finden. Schließlich gilt es unter allen Umständen zu vermeiden, dass die Bühne des Landestheaters leer bleibt und dem, auch von weiter auswärts angereisten, Publikum gar nichts gezeigt werden kann. Nervenstärke und eine hohe Improvisationsgabe sind dabei gefragt. Das illustrieren die folgenden Beispiele aus vergangenen Spielzeiten am Tiroler Landestheater.

• Falscher Termin. Ein Hauptdarsteller der Strauss-Operette „Die Fledermaus“ hatte sich einen Aufführungstermin falsch notiert. Er weilte im Ausland anstatt auf der Bühne des Großen Hauses.

Theaterintendant Johannes Reitmeier sprang selbst in die Bresche – nicht als Operettensänger, sondern als Erzähler. Immer, wenn der abwesende Darsteller an der Reihe gewesen wäre, erzählte Reitmeier dem Publikum, was nun eigentlich passieren würde. Die Besucher wurden mit einem Gläschen Sekt um Entschuldigung gebeten und nahmen die an diesem Abend ungewöhnlich kurze „Fledermaus“ locker. Mit ihrem Ticket konnten sie sich die Operette zu einem anderen Termin ansehen – bei vollständiger Besetzung.

• Stimm-Hilfe. Schauspieler mit lädierter Stimme können mithilfe eines am Kopf befestigten Mikrofons unterstützt werden. Geht stimmlich gar nichts mehr, wird über Künstleragenturen Ersatz geholt. Natürlich müssen die Einspringer die verlangten Rollen beherrschen, Zeit zum Proben bleibt nicht viel. Dies gilt ganz besonders für Opernsänger. Auch dort fischt man nach Interpretinnen und Interpreten, die eine gesuchte Partie aus dem Effeff beherrschen. Manche Rollen werden von Haus aus doppelt besetzt. Das zahlt sich im Krankheitsfall aus.

• Ihr Auftritt, Chef! Die Tanzcompany des Landestheaters kämpft immer wieder mit Verletzungen. Auch bei den Tänzern sind daher Zweitbesetzungen üblich. Manchmal sind die Ausfälle bei den Akteuren aber so massiv, dass die Chefs selbst zurück vor den Vorhang tanzen dürfen (bzw. müssen).

Direktor Enrique Gasa Valga und Balletmeisterin Martine Reyn sprangen in der Saison 2018/19 bei einer Vorstellung von „Frida Kahlo – Nueva Pasión“ ein. Gasa Valga ist dies gewohnt: Auch bei „Peer Gynt“ (2015) und „Ménage à Trois“ (2017) avancierte der Ex-Tänzer zum aktiven Mitglied der Company.

• Tanz statt Schauspiel. Manchmal hilft nur noch eine spontane Programmänderung. So wurde im Vorjahr aufgrund vieler erkrankter Schauspieler eine Vorstellung von „Das goldene Vlies“ kurzfristig durch Tanztheater ersetzt. Statt Grillparzers Drama bekamen die Zuseher „A Midsummer Night’s Dream“ von der Tanzcompany serviert, die gerade verfügbar war. Dem mutmaßlichen Theaterpublikum scheint es gefallen zu haben. Beschwerden wurden nicht bekannt.

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