Erstochener Amtsleiter: Angeklagter zurechnungsfähig
Der Mordprozess gegen den 35-jährigen Soner Ö., der vor einem Jahr den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn getötet hat, ist am Dienstag mit der Befragung von Gerichtspsychiater Reinhard Haller fortgesetzt werden. Haller bescheinigte dem Angeklagten zwar eine Persönlichkeitsstörung, die einer höhergradigen Abnormität entspreche, sah seine Zurechnungsfähigkeit aber gegeben.
Der Gerichtspsychiater erklärte, dass Ö. in seiner Kindheit möglicherweise hyperaktiv gewesen sei, auch wenn diese Diagnose nicht gestellt worden sei. Die Schule habe er einigermaßen gut bewältigt, anschließend habe er aber keine weitere Ausbildung absolviert und beruflich nie Fuß gefasst. Stattdessen habe Ö. früh Alkohol (mit acht Jahren) und Drogen (ab 14 Jahren) konsumiert. Nach Cannabis habe der Angeklagte etwa auch Heroin und Kokain zu sich genommen.
Parallel dazu habe sich die kriminelle Karriere des 35-Jährigen entwickelt, dabei ging es vornehmlich um Drogen- und Eigentumsdelikte. Nach der 15. Verurteilung war Ö. 2009 mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden - und zwar vom späteren Opfer, dem Sozialamtsleiter, der damals noch eine andere Funktion innehatte.
In der Türkei, wo sich der Angeklagte nie heimisch gefühlt habe, sei er eigenen Angaben zufolge als Scharfschütze in den Krieg gegen den IS gezogen. Dass daraus eine posttraumatische Belastungsstörung entstanden sei, sei „nachvollziehbar“, so Haller: „Die Symptome passen“. Die aus diesen Umständen und einer Herzkrankheit resultierende Persönlichkeitsstörung sei aber nicht als Geisteskrankheit zu werten.
Da der Angeklagte bei der Tat auch nicht voll berauscht gewesen sei bzw. im Affekt gehandelt habe, sei die Zurechnungsfähigkeit gegeben gewesen. Ein Affekt, der zu Unzurechnungsfähigkeit führe, komme nur ganz selten vor, so Haller: „Das habe ich in 38 Jahren Gutachtertätigkeit nur zwei Mal gesehen“. Es sei aber unstrittig, dass Emotionen im Spiel gewesen seien.
Sieben befragte Mitarbeiter der BH Dornbirn widersprachen bei ihrer Befragung Ö. hinsichtlich des Tatablaufs. Ö. hatte betont, der getötete Sozialamtsleiter habe ihm „Du Arschloch, bist du schon wieder da?“ zugerufen. Daraufhin sei er auf diesen losgestürmt. Die Zeugen betonten demgegenüber, sie hätten den Getöteten nichts Derartiges sagen gehört. Sie wiesen die diesbezügliche Darstellung vielmehr klar zurück. Das sei „völliger Blödsinn“ sagte ein Zeuge, „stimmt nicht“ eine Zeugin.
Übereinstimmend bekräftigten die Mitarbeiter, dass der 35-jährige Ö. am Tattag (6. Februar 2019) gegen 15.00 Uhr die Türe ins Sekretariat aufgerissen habe und wortlos in das angrenzende Büro des Sozialamtsleiters gestürmt sei. Ob er dabei ein Messer in der Hand hielt, konnte keiner der Zeugen erkennen. Anschließend sei es laut geworden, der Angeklagte habe einen Monitor und Akten vom Schreibtisch gewischt.
Der 35-Jährige Ö. hatte sich am Montag, dem ersten von drei Prozesstagen, geständig gezeigt, den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn am 6. Februar 2019 erstochen zu haben. Er war als Asylwerber wegen Mitteln aus der Grundversorgung bei der Bezirkshauptmannschaft vorstellig geworden. Der 35-Jährige bestritt aber jegliche Absicht, es habe sich um einen tragischen Unfall gehandelt. Ö. bekannte sich schuldig der absichtlich schweren Körperverletzung mit Todesfolge. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt, dann soll das Urteil erfolgen.