Mit Byliks Coolness und „am Zahnfleisch“ zu EM-Platz acht
Die Handball-Heim-EM hat für Österreichs Männer am Mittwoch mit einer symptomatischen Situation geendet: Drei Sekunden vor dem Ende des Krimis gegen Weißrussland stieg Kapitän Nikola Bylik hoch und setzte den Ball mit einem Gewaltwurf zum Endstand von 36:36 ins Tor. Der herausragende ÖHB-EM-Akteur stellte seine Leaderqualitäten unter Beweis und sorgte so für den historischen achten Platz.
„Ich wollte natürlich Verantwortung übernehmen“, erklärte der 23-jährige Bilyk, der auch von Teamchef Ales Pajovic im letztem Timeout 17 Sekunden vor Schluss genau diese Anweisung bekommen hatte. Die Dramatik war eines Krimis würdig: Beim Stand von 30:34 schien der Traum von Platz acht fast geplatzt. Zu lange, nämlich ab der 15. Minute war Österreich einem Rückstand nachgelaufen, vor allem die Abwehr hatte sich als ineffektiv erwiesen. Das war wohl auch der Müdigkeit im siebenten Spiel innerhalb von 13 Tagen geschuldet.
Das Match an sich hatte abgesehen vom Ergebnis und vielen Toren nur wenig zu bieten. „Man hat gesehen, dass das Niveau fällt, je länger das Turnier dauert“, beschrieb Bylik das spielerische Geschehen. „Das ist für den Körper nicht normal“, betonte der Kiel-Legionär, der in den ersten fünf Partien fast durchspielen hatte müssen, ehe er gegen Deutschland zumindest phasenweise auf der Bank gesessen war.
Goalie Thomas Bauer brachte den Fitnesszustand in blumigen Worten auf den Punkt: „Wir haben heute mit Leuten über 40, 50 Minuten gespielt, die noch zu Mittag nicht gehen konnten.“
Angesichts von Platz acht, mit dem man den neunten Rang der Heim-EM 2010 übertraf, waren sowohl die Qualität der Partie als auch die geschundenen Körper danach aber egal. „Es ist noch etwas schwer zu realisieren, das wird einige Tage brauchen“, jubelte Bilyk. Auch Sportdirektor Fölser, als Aktiver Teil der 2010er-Truppe, schwelgte nach der misslungenen WM 2019 (Platz 19) im Glück: „Dass wir das Turnier als Achter beenden, ist ein unfassbares Ding für den österreichischen Handball.“
„Die Mannschaft hat wieder Charakter gezeigt“, freute sich auch Pajovic, der gleich bei seiner Endrundenpremiere als Coach für die rot-weiß-rote Bestmarke sorgte. „Die letzten 15 Sekunden waren unglaublich. Wir haben auch ein bisschen Glück gehabt“, erklärte der Slowene, der beim entscheidenden Spielzug wieder sieben Feldspieler zum Einsatz brachte. Er selbst sei „natürlich sehr, sehr froh. Wichtig ist aber, dass meine Mannschaft einen Schritt nach vorne gemacht hat.“
Gerade rechtzeitig aus seinem Tief tauchte am Mittwoch in der Wr. Stadthalle auch Bauer. Der etatmäßige Einsergoalie, der seinen Status in der ersten Partie an Thomas Eichberger verloren hatte („Daran hatte ich zu knabbern“), spielte sich ab der 20. Minute zurück ins Rampenlicht und machte mit insgesamt acht Paraden die Aufholjagd im Finish erst möglich. „Das ist das Schöne an einer Mannschaft: Wenn einer eine Schwächephase hat, fängt ihn ein anderer auf.“
Was von der EM bleibt, sind neben dem finalen Kraftakt gegen die Weißrussen auch die Vorrundensiege gegen Tschechien, die Ukraine und Nordmazedonien, zwei knappe Niederlagen gegen die Halbfinalisten Spanien und Kroatien sowie das klare 22:34 gegen Deutschland im sechsten Spiel. Irgendwann werde man auch die Topnationen schlagen, war Bilyk überzeugt. „Wir wollen da hin, wo die Großen sind. Das muss unser Anspruch sein, weil wir eine Siegertruppe sind.“ Nächster Stopp auf diesem Weg ist bereits im April die erste Qualiphase für die WM 2021 in Ägypten.