Dritte Staffel von „Babylon Berlin": Ausgetanzt auf dem Vulkan
Spektakulär: Die dritte Staffel des Serien-Erfolgs „Babylon Berlin“ stimmt den Abgesang auf die „Goldenen 20er“ an.
Von Joachim Leitner
Wien – Berlin, so scheint es, ist kleiner geworden, enger, klaustrophobischer. Weniger überdreht und aufgezwirbelt. Der Tanz auf dem Vulkan jedenfalls ist vorerst vorbei, die „Goldenen 20er“ steuern auf ihr Ende zu. Auf den großen Crash. An der Börse. In der Welt. An dunklen Vorzeichen mangelt es nicht. Und das „Moka Effi“, die Lust- und Lasterhöhle, in der gefeiert wurde, als gäbe es kein Morgen, bleibt vorerst wegen Wasserrohrbruchs geschlossen. Kurzum: „Babylon Berlin“, der große, quasi-globale deutsche Serienerfolg, geht ab heute Abend auf Bezahlsender Sky in die dritte Runde.
In der ARD, die nach wie vor den Großteil der sündteuren Serie vorstreckt, sollen die neuen Folgen Ende des Jahres zu sehen sein. Über dieses Agreement wurde 2017, als das von den Regisseuren Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries nach Romanen von Volker Kutscher entworfene Prestigeprojekt in Angriff genommen wurde, böse geschimpft. Doch der Deal ging auf: „Babylon Berlin“ war hier wie da ein als Event vermarkteter Quotenhit. Mittlerweile wurde die inzwischen vielbepreiste Serie in 100 Länder verkauft. 30 Millionen Euro soll die neue Staffel gekostet haben – mehr als zwei Millionen pro Folge. Zum Vergleich: Einen „Tatort“-Film gibt’s für etwa eine Million.
In Staffel 3 – sie basiert auf Kutschers Roman „Der stumme Tod“ (2009) – bleibt vieles beim Alten – und doch ist alles neu. Wegjazzen lassen sich die Probleme nicht mehr. Wenn schon Spektakel, dann als Spiegel innerer Abgründe – und als Vorbote jener Verblendungen, die den tollen Tagen endgültig den Rest gaben. So wie einst im Kino der Weimarer Republik, auf das sich „Babylon Berlin“ liebevoll verspielt beruft – und das in dunkler Propheterie vorzeichnete, was kommen sollte: Doktor Caligari zu Hitler.
Dementsprechend wird in der dritten Staffel zunächst im Filmatelier gemordet. Vor laufender Kamera fällt ein Scheinwerfer auf ein Filmsternchen. Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) ermittelt. Nach kurzer Nacht und albtraumhaftem Schlaf. Den Griff zur Opiumampulle verbietet er sich. Kaputt ist er trotzdem. Seine Assistentin Charlotte Richter (Liv Lisa Fries) rasselt derweil durch die Kommissarsprüfung. Es hapert am Latein. Ihr Gespür am Tatort hat sie da in meisterhaft montierter Sequenz bereits bewiesen. Sie wird ihren Weg machen. „Genauigkeit ist wichtig, Kleinlichkeit schadet nur“, erklärt Polizeipräsident Gennat (Udo Samel) einem besonders beflissenen Korinthenkacker – und bringt damit das, was man ungestraft vorab verraten darf, auf den Punkt. „Babylon Berlin“ bleibt eine präzise getaktete Erzählmaschine, ein großer Wurf. Wenn auch in einer kleiner gewordenen Stadt.