China schottet wegen Coronavirus Wuhan und weitere Städte ab

Im Kampf gegen die neue Lungenkrankheit riegelt die chinesische Regierung besonders stark betroffene Großstädte ab. In der Elf-Millionen-Metropole Wuhan wurden schon Donnerstagfrüh Flüge, Züge, Fähren, Fernbusse und der öffentliche Nahverkehr gestoppt, die Ausfallstraßen wurden nach und nach gesperrt.

Zudem sollen in der Öffentlichkeit Schutzmasken getragen werden - bei Nichteinhaltung drohen Strafen. Rasch waren Straßen, Märkte und Einkaufszentren wie leergefegt. Etliche Besucher konnten die Stadt vorerst nicht mehr verlassen.

Stunden später folgten Beschränkungen für zwei weitere Millionenstädte: In der 75 Kilometer östlich gelegenen Sieben-Millionen-Stadt Huanggang sollte der öffentliche Verkehr ab Mitternacht gestoppt werden, Menschen sollen die Stadt nicht mehr verlassen, wie die Stadtregierung mitteilte. Ähnliche Restriktionen gelten für die benachbarte Stadt Ezhou mit einer Million und für die Stadt Chibi mit einer halben Million Einwohnern. Alle Städte liegen in der Provinz Hubei.

Zusammen mit den Bewohnern der bereits abgeriegelten Metropole Wuhan gelten die Beschränkungen damit für rund 20 Millionen Menschen. Die Abschottung ist eine beispiellose Maßnahme. „Das ist einmalig in der neueren Geschichte, sagte Jonas Schmidt-Chanasit vom deutschen Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). Auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist nach Angaben eines Sprechers kein vergleichbarer Fall bekannt.

Die Region ist von dem auch schon in anderen Teilen Chinas und einigen Ländern wie Thailand und den USA nachgewiesenen neuen Coronavirus besonders stark betroffen. In Europa ist bisher kein Fall bekannt. Über die Abriegelung habe China ohne Rücksprache mit der WHO entschieden, hieß es von der Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Die Aktion sei zu begrüßen, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Massenansammlungen seien ein Risikofaktor für die Verbreitung.

Bis Donnerstag wurde das Virus in China bei mindestens 620 Menschen nachgewiesen, wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete. Dazu zählten rund 100 schwere Fälle, alle in der Provinz Hubei mit der besonders betroffenen Metropole Wuhan. Nachweisliche Todesursache war das Virus bisher bei 17 Menschen - zumeist ältere mit Vorerkrankungen.

Die WHO hatte am Mittwochabend vorerst keine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ ausgerufen - der Notfallausschuss tagte allerdings bereits am Donnerstag erneut. Mit einer offiziellen „Notlage“ wären weitere konkrete Empfehlungen an Staaten verbunden, um die Ausbreitung über Grenzen hinweg möglichst einzudämmen. Zu solchen Empfehlungen kann beispielsweise gehören, dass Reisende auf Krankheitssymptome geprüft werden, und dass medizinisches Personal besser geschützt wird.

Mit der Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Ausbreitung der Viruskrankheit. Bei der größten jährlichen Reisewelle des Landes sind einige Hundert Millionen Chinesen unterwegs. In Peking wurde aus Angst vor dem Virus alle größeren Veranstaltungen und Tempelfeste anlässlich des Neujahrsfestes gestrichen.

Der Kaiserpalast in Peking wird ab Samstag für Besucher geschlossen. Im vergangenen Jahr haben 19 Millionen Menschen das Weltkulturerbe besucht. Wegen des starken Andrangs ist die maximale Zahl der Besucher täglich auf 80.000 begrenzt. Wielange der Kaiserpalast geschlossen bleiben soll, wurde nicht mitgeteilt.

Auch der geplante Kinostart von sieben neuen chinesischen Filmen zum chinesischen Neujahrsfest wurde abgesagt. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete am Donnerstag, es gebe Sorge, dass das neuartige Virus zwischen den Besuchern in den meist engen Räumlichkeiten der Lichttheater übertragen werden könne. Die Filme, darunter der neue Streifen „Vanguard“ mit Jackie Chan, sollten zu den Ferien über das an diesem Samstag beginnende Neujahrsfest anlaufen. Es ist eine wichtige Zeit für Filme. Im vergangenen Jahr spielten chinesische Kinos über das Neujahrsfest rund fünf Milliarden Yuan ein, umgerechnet 650 Millionen Euro.

Das Coronavirus ist nach Einschätzung von Experten weiter ein kaum ansteckender Erreger. Die meisten Fälle beträfen nach wie vor Wuhan, das Virus habe sich nicht sehr stark ausgebreitet, sagte der Hamburger Virologe Schmidt-Chanasit. Zudem habe sich kaum Krankenhauspersonal angesteckt, und auch bei den Fällen in anderen Ländern habe es bisher keine Übertragung auf weitere Menschen gegeben. „Vielfach geht das Virus höchstens auf einen weiteren Menschen über, dann läuft sich die Infektion tot“, erklärte er.

Auch nach WHO-Informationen haben sich Menschen bisher nur bei engem Kontakt mit Infizierten angesteckt, in der Familie oder in Praxen und Gesundheitszentren. Das Virus sei zudem bisher stabil, es seien keine Mutationen beobachtet worden, sagte Michael Ryan, Direktor der WHO-Notfallprogramms. Coronaviren gelten als sehr anpassungsfähig und wandelbar - Veränderungen im Erbgut könnten das neue Virus gefährlicher und ansteckender machen.

Auch in Singapur gibt es unterdessen mindestens einen Fall der neuen Lungenkrankheit. Das Gesundheitsministerium des südostasiatischen Stadtstaates bestätigte am Donnerstag, dass ein 66 Jahre alter Mann aus dem chinesischen Wuhan nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert ist. Der Mann sei am Montag mit seiner Familie in Singapur angekommen und befinde sich derzeit in einem Isolationszimmer eines örtlichen Krankenhauses. Sein Zustand sei stabil, teilte das Ministerium weiter mit.

Zudem seien die Gesundheitsbehörden über einen Verdachtsfall informiert worden. Eine 53 Jahre alte Frau - ebenfalls aus Wuhan - sei zunächst positiv auf den Erreger getestet worden. Auch ihr Zustand sei stabil. Eine endgültige Bestätigung, ob es sich tatsächlich um das Coronavirus handle, stehe aber noch aus.

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