Proteste im Irak trotz gewaltsamer Räumung der Protestlager
Nach monatelangen Protesten gegen die irakische Regierung haben Sicherheitskräfte am Wochenende gewaltsam versucht, die Proteste zu beenden und die Lager der Demonstranten aufzulösen. Am Samstag erschossen sie nach Angaben von Ärzten bei der Erstürmung mehrerer Protestcamps in Bagdad und anderen Städten vier Demonstranten. Am Sonntag gingen sie erneut mit scharfer Munition gegen Aktivisten vor.
Seit Samstag gingen die Sicherheitskräfte mit großer Brutalität in Bagdad und mehreren Städten im schiitischen Süden des Landes gegen die Protestcamps vor. Sie zerstörten oder verbrannten Zelte und trieben die Aktivisten mit Tränengas und scharfer Munition auseinander. Daraufhin gingen Tausende vorwiegend junge Menschen am Sonntag erneut auf die Straßen.
Demonstrationen wurden unter anderem aus den schiitischen Hochburgen Najaf, Karbela und Nasiriyah gemeldet. Allein in Nasiriyah erlitten 75 Demonstranten bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften Schussverletzungen, rund hundert weitere litten unter den Auswirkungen von Tränengas, wie ein Arzt der Nachrichtenagentur AFP sagte.
Die Proteste gegen Regierung, Misswirtschaft und die weit verbreitete Korruption im Land halten seit Oktober an. Inzwischen fordern die Demonstranten vor allem Neuwahlen und die Ernennung eines unabhängigen Regierungschefs. Unter dem Druck der Straße hatte Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi im Dezember seinen Rücktritt eingereicht. Er ist aber immer noch im Amt, da sich die Parteien auf keinen Nachfolger einigen können.
Die Demonstranten befürchten, dass die Regierung die Proteste gewaltsam beenden könnte, nachdem der einflussreiche Schiitenführer Moqtada al-Sadr seine Unterstützung für die Proteste aufgekündigt hatte. Der mächtige Kleriker ist bekannt dafür, seine politischen Positionen schnell zu wechseln. Zu Beginn der regierungskritischen Proteste hatte er sich hinter die Bewegung gestellt und die Regierung zum Rücktritt aufgefordert - obwohl er einen Großteil des Parlaments kontrolliert und seine Vertrauten mehrere Ministerposten besetzen. Al-Sadrs Anhänger gehörten zu den am besten organisierten und ausgerüsteten Teilnehmern an den Protesten.
Am Freitag aber entzog al-Sadr der Protestbewegung seine Unterstützung, daraufhin räumten seine Anhänger ihre Zelte in den Protestlagern. Zuvor waren Tausende seinem Aufruf zu einer Demonstration für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefolgt. Experten sehen in al-Sadrs jüngsten Aktionen einen Versuch des schiitischen Predigers, seinen Einfluss auf die Straße zu bewahren, sich aber gleichzeitig mit Iraks mächtigem Nachbar Iran gutzustellen.