Gerichtssplitter

Stalking-Prozess nahm unerwartete Wendung

Zum Landesgericht musste gestern ein Notarztteam anrücken. Ein Angeklagter war nicht nur in emotionale Wallungen geraten.
© Fellner Reinhard

Der Prozess offenbarte Drohungen und endete in der Notaufnahme.

Beziehungsstreitigkeiten werden meist hochemotional geführt – erst recht, wenn es um gemeinsame Kinder geht. Aus dieser Situation heraus kam es auch zur Anklage gegen einen jungen Unterländer. Über ein Jahr lang sollte er seine einstige Lebensgefährtin gestalkt haben. Teilweise handelte es sich um bis zu 100 Kontaktaufnahmen pro Tag, am 18. September letzten Jahres waren es gar 130 Anrufe. Beim gestrigen Prozess am Landesgericht war hervorgekommen, dass sich der Kontakt nunmehr normalisiert haben sollte: „Es geht zu 99 Prozent um die Kinder. Auch rufen sie zum Gute-Nacht-Sagen an“, so der Angeklagte gestern zu Richterin Verena Offer. Viel Feingefühl war ihrerseits gefragt. Als dann über ausgewertete Handydateien Bilder und Sprachdateien aufgearbeitet wurden, konnte dies der Angeklagte nicht mehr ertragen und musste den Verhandlungssaal verlassen. Indes kamen Tonaufnahmen von 2018 hervor, in denen der Unterländer der Kindesmutter und deren Familie mit der Auslöschung drohte, wenn man ihn psychisch weiter so belaste. Genug war dann wenig später auch am Landesgericht. Der Mann hatte sich offenbar so aufgeregt, dass er vom Notarzt versorgt werden musste. Nach Erstversorgung am Gang ging es direkt in die Notaufnahme. Für heute wäre ein Termin beim Pflegschaftsgericht angesetzt gewesen.

Zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, standen sich vor Richterin Helga Moser am Landesgericht gegenüber. Der Ältere impulsiv und ein Handwerker. Der Jüngere betont kontrolliert mit hochdeutscher Sprache und Student. Mitte Dezember krachten sie in der Wohnung der Eltern ein letztes Mal aneinander. Auslöser des Streits: Der Ältere hatte beim Duschen das ganze Warmwasser verbraucht. Die Auseinandersetzung endete für den Jüngeren mit Verletzungen. „Er ist mein Bruder, ich hab ihn doch lieb!“, verweigerte der angeklagte Ältere – im Gegensatz zum Jüngeren – die Aussage. Richterin Moser sah jedoch am Ende einen reinen Familienstreit. Ein Freispruch erging. Der Ältere abschließend im Saal: „Papa hat ihn immer verwöhnt!“ (fell)

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