Barocke Feste, Poesie und Meditation
Jordi Savall, Garant für Weltbild-erweiternde Projekte, mit populären Werken und auf Bach-Entdeckungsreise.
Von Ursula Strohal
Innsbruck –Die vorösterliche Zeit sollte Gelegenheit bieten, sich aus Jordi Savalls Sichtweise mit teils wohl bekanntem, teils vielleicht noch nicht so vertrautem und neu zugänglichem Repertoire zu befassen.
Georg Friedrich Händels Oratorium „Messiah“ geht, als Großprojekt komplett oder zumindest ausschnittweise, auch hierzulande als „Messias“ durch die Kehlen Tausender Chorsänger. Schließlich ist der berühmteste Satz des 1742 in Dublin uraufgeführten Werks das „Halleluja“. Dass das Publikum dafür aufsteht, wie einst angeblich der englische König Georg II., ist mancherorts üblich. Savall richtet sich mit seinem VokalensembleLa Capella Reial de Catalunyaunddem Orchester Le Concert des Nationsnach der Partitur aus der British Library of London, ergänzt durch Oboestimmen aus einer Version von 1754.
Der charismatische Katalane regt zu lebhaftem Musizieren an, kommt aber ohne Pomp aus. Er spricht von „einer sublimen musikalischen Meditation“. Kein Drama, viel Poesie, Präzision und eine spirituelle Grundhaltung. Die Gesangssolisten – Rachel Redmond, Damien Guillon, Nicholas Mulroy, Matthias Winckhler – stellen sich mit überwiegend weichen Tönen ein.
Antonio Vivaldi hat vier Oratorien komponiert, überliefert ist nur eines, „Juditha triumphans“ von 1716. Mit dem Werk sollte der Sieg der Republik Venedig über die Türken gefeiert werden. Am Werk sind wieder La Capella Reial de Catalunya und Le Concert des Nations, weiters die Solistinnen Marianne Beate Kielland, Rachel Redmond, Lucía Martín-Cartón und Kristin Mulders.
Die Musik blüht in ihrer vollen Schönheit und der dramatischen Kraft der Rezitative auf, da leuchten die Farben, die Instrumente und Stimmen, man ist der Oper näher als bibelnaher Einkehr. Ein hochkarätiges barockes Fest.
Vor diesen beiden Veröffentlichungen hatte Jordi Savall seine Rekonstruktion von Johann Sebastian Bachs Markus-Passion präsentiert: Ein diskussionswürdiges Projekt, nicht nur, aber besonders zur Osterzeit. Die dritte Passion Bachs, deren Existenz durch das Libretto bestätigt, deren Musik aber unbekannt ist, lässt den Musikern keine Ruhe. Es gibt immer wieder neue, teils auch absurde Versuche der Rekonstruktion. Höchstwahrscheinlich hat Bach auf bestehende Kompositionen zurückgegriffen, auch auf die „Trauerode“ BWV 198. Savall entnahm für seine Fassung Musik daraus sowie aus der Matthäus-Passion, der Johannes-Passion und Kantaten.
Das erweist sich in der Dramaturgie und Arienanlage als schlüssig, nicht durchwegs überzeugend aber geriet die Interpretation. Zwischen exzellentem Musizieren von Savalls Stammensembles, wobei der Chor die Choräle oft massiv anlegt, gibt es seltsam instrumentierte Stellen, die Dynamik ist einheitlich und die Textverständlichkeit der Sänger vernachlässigt. David Szigetváris Evangelist und Konstantin Wolffs Jesus, Marta Mathéus Sopran und Countertenor Raffaele Pé sind Geschmacksache, versiert der Tenor Reinoud Van Mechelen.
Klassik Jordi Savall/La Capella Reial de Catalunya/Le Concert des Nations: Händel, „Messiah“; Vivaldi, „Juditha Triumphans“; Bach, „Markus-Passion“, alle bei Alia Vox.