Erster bestätigter Coronavirus-Fall in Wien
Ein 72 Jahre alter Mann ist der erste bestätigte Coronavirus-Fall in Wien. Er lag bereits seit zehn Tagen mit klassischen Grippe-Symptomen in der Rudolfstiftung in Wien-Landstraße. Spitalsmitarbeiter wurden nun in häusliche Quarantäne geschickt, Besucher des Mannes auf das Coronavirus getestet und drei klinische Stationen des Spitals gesperrt.
Nachdem das Testergebnis am Donnerstag positiv auf SARS-CoV-2 ausgefallen war, wurden drei Krankenhausabteilungen geschlossen, eine klinische Abteilung einer internen Station, eine Intermediate-Care- sowie eine Intensivstation. Die Mitarbeiter, die in der direkten Betreuung des Patienten tätig waren, wurden nach Hause gebracht, sagte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bei einer Pressekonferenz.
Der Gesundheitsdienst der Stadt Wien (MA 15) sei nunmehr beschäftigt, alle Kontakte des Mannes zu quantifizieren. „Wir haben in der uns überschaubaren Gruppe keinen einzigen weiteren Krankheitsfall feststellen können“, sagte Michael Binder, medizinischer Direktor des KAV. Wo sich der 72-Jährige selbst angesteckt hat, konnte bisher noch nicht eruiert werden. Sein aktueller Zustand wurde von Binder als schwer erkrankt eingestuft.
Bei der Pressekonferenz im Rathaus wurde auch über einen zweiten Patienten berichtet. Bei ihm war ein erster Coronavirus-Test positiv ausgefallen. Sein klinischer Zustand sei so gut, dass er keine stationäre Betreuung im Spital brauche, sondern zu Hause in Quarantäne sei. Der Mann dürfte sich in Italien angesteckt haben. Er hatte sich selbst zur Untersuchung angemeldet.
In Tirol wird unterdessen das infizierte Paar aus Italien über das Wochenende in der Innsbrucker Klinik bleiben müssen. Von den beiden 24-Jährigen, die sich nach wie vor in einem guten Zustand befinden, würden laufend Abstriche genommen bzw. Tests durchgeführt, so Kliniksprecherin Cornelia Seiwald. Solange nicht ein negatives Ergebnis vorliege, wolle man „kein Risiko eingehen“.
Insgesamt wurden laut Gesundheitsministerium bis Donnerstagvormittag österreichweit 447 Testungen auf SARS-CoV-2 durchgeführt, vier Fälle gelten als bestätigt. In mindestens 15 europäischen Ländern gibt es inzwischen Fälle, 14 Tote wurden gezählt - bei etwa 500 Infizierten, wie es vom europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hieß. Die Behörden wollen ab sofort noch stärker über Eigenschutz aufklären sowie über die Vorgangsweise bei Verdachtsfällen informieren, kündigten der stellvertretende Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Lang, und Brigitte Zarfl, Ex-Gesundheitsministerin und Spitzenbeamtin des Gesundheitsressorts, an.
„Es war nur eine Frage der Zeit, dass es erste Fälle in Österreich gibt“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Es war klar, dass Österreich keine Ausnahme bleibe, man könne das Land nicht „unter einen Glassturz“ stellen. „Corona ist absolut kein Todesurteil“, hatte Anschober zuvor im Nationalrat betont, wo die Regierung eine Erklärung zum Coronavirus abgab und dabei um Beruhigung bemüht war. Wie sein Regierungskollege Karl Nehammer (ÖVP) betonte er, dass national wie international alles Mögliche zur Eindämmung des Virus getan werde.
Nehammer verteidigte die umfassenden Sicherheitsmaßnahmen der vergangenen Tage etwa im Zusammenhang mit einer Ferieneinrichtung in Kärnten oder einer Schule in Wien. Der Opposition empfahl er, nicht mit Häme und Spott zu reagieren: „Besonnenheit und Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist angebracht“, so der Minister. Diese zeigte sich jedoch alles andere als beruhigt. Und zwar nicht wegen des Coronavirus an sich, sondern wegen der Regierungsmaßnahmen dazu. SPÖ, FPÖ und NEOS kritisierten vor allem die Kommunikation. Die SPÖ unterstrich mit einem Entschließungsantrag ihre Forderung nach einem „Krisenkoordinator“, die FPÖ jene nach umfassender Information. Beide Anträge blieben jedoch in der Minderheit.
Der Innenminister verwies auf die enge Abstimmung etwa mit den italienischen Behörden, um grenzüberschreitende Warnungen sofort umsetzen zu können. Auch in Österreich werde auf allen Ebenen vorgesorgt, so hätten alle Landespolizeidirektionen Kompetenzteams aufgestellt und werde eine 24-Stunden-Labortätigkeit sicher gestellt. Weiteres werde am Donnerstag bei einer Konferenz mit den Landeshauptleuten und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) besprochen.
Angesichts der Ausbreitung ist die Gesundheitshotline 1450 als erste Anlaufstelle besonders wichtig, betonte die Österreichische Ärztekammer. „Betroffene sollten bei Verdacht auf eine Infektion keinesfalls direkt in die Spitalsambulanz gehen, sondern zuhause bleiben, 1450 wählen und das entsprechende Vorgehen abstimmen“, sagte Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Denn nur dadurch können bei einer möglichen Infektion weitere Ansteckungen vermieden werden. „Die Ausbreitung zu verhindern und andere Patienten sowie das Personal im Spital zu schützen, hat höchste Priorität - allein, um die Gesundheitsversorgung aufrecht zu halten“ sagte Mayer.