„Stopp Corona“: Virus-Suche in Österreich mit der Handy-App
Das Rote Kreuz verzeichnet schon Zehntausende Downloads seiner „Stopp Corona“-App. Pläne der Regierung für den Einsatz von Big Data bleiben vage.
Von Wolfgang Sablatnig
Wien –Die Idee hinter der „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes: Die App soll anonym die Kontakte des Smartphone-Nutzers aufzeichnen. Ebenso anonym soll der Besitzer informiert werden, wenn einer dieser Kontakte infiziert ist. Dann ist es Zeit, sich selbst zu isolieren und beim Auftauchen von Corona-Symptomen die Hotline 1450 anzurufen.
Das Rote Kreuz hat die App vorige Woche zum Download freigeschaltet. Bis gestern wurden 77.000 Downloads verzeichnet. Aktualisierungen und Weiterentwicklungen sollen in den kommenden Wochen folgen, kündigt Bundesrettungskommandant Gerry Foitik an.
Foitik setzt bei der Nutzung auf Freiwilligkeit, wie er auf Anfrage der TT betont. Und auf Überzeugung: „Wir sehen, dass die Menschen sich bis auf wenige Ausnahmen freiwillig und sehr diszipliniert an die Maßnahmen halten, weil sie von deren Sinnhaftigkeit überzeugt sind. Wenn wir sie von der Sinnhaftigkeit der App überzeugen, werden sie auch die App nutzen. Das ist aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, dass die App erfolgreich dazu beiträgt, Corona-Infektionen zu stoppen.“
An eine Verpflichtung zum Einsatz der App sei nicht gedacht, auch nicht indirekt, indem etwa die Behörden Nutzern Erleichterungen bei den alltäglichen Beschränkungen versprechen: „Das ist nicht die Idee hinter der App. Wir wollen, dass so viele Menschen wie möglich die App freiwillig nutzen.“
Der Bundesrettungskommandant weist außerdem darauf hin, dass es sich um eine private Initiative des Roten Kreuzes handelt. Die Finanzierung erfolge durch die Uniqa-Privatstiftung, die technische Umsetzung durch Accenture.
Stopp Corona
Die App des Roten Kreuzes ist in den App-Stores von Google/Android und Apple verfügbar.
Handshake. Wer die App nutzt, kann bei Kontakt mit einer Person die Handshake-Funktion aktivieren. Macht dies auch das Gegenüber, wird der Kontakt gespeichert.
Warnung. Meldet ein User eine Infektion, werden alle gespeicherten Kontakte der vergangenen 48 Stunden informiert und gewarnt.
Automatismus. Die Entwickler arbeiten an den ersten Updates: Ein Symptomcheck soll helfen, eine Infektion zu erkennen. Nach Ostern soll eine Funktion für einen automatischen Handshake folgen.
Dennoch ist die App für die Regierung Thema. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sie schon mehrfach erwähnt. Wiederholt hat er auch den Einsatz von Big Data zur Bekämpfung des Virus in den Raum gestellt.
Fragen dazu beantwortete der Sprecher des Bundeskanzlers gestern nur vage: Es sei nicht daran gedacht, Daten des Roten Kreuzes anzuzapfen. Und wenn es zu einem Tracking – also einer Nachverfolgung der Nutzer – komme, dann immer nur auf freiwilliger Basis: „Jeder muss das am Handy freiwillig freischalten.“
Information Nummer drei aus dem Bundeskanzleramt: Der Einsatz von Big Data sei eine Möglichkeit für die Zeit danach „und nicht jetzt akut“.
Der Opposition reichen vage Auskünfte aber nicht. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte bereits vorige Woche im Gespräch mit der TT alle Alarmglocken schrillen gehört und vor einem „massiven Eingriff“ in die Grund- und Freiheitsrechte gewarnt. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried fordert, dass es ohne Befassung des Verfassungsausschusses des Nationalrats und ohne eine Anhörung von Experten keine Eingriffe in Grundrechte und Datenschutz geben dürfe. FPÖ-Chef Norbert Hofer will sich gegen einen „Umbau zum Überwachungsstaat“ wehren.
Datenschützer Max Schrems, der durch sein Engagement gegen Facebook bekannt wurde, hält die Nutzung von Daten im Kampf gegen das Coronavirus für legitim – wenn sie mit Maß und Ziel erfolge, sagte er der APA. Zwischen „überbordender Totalüberwachung“ und der Sammlung und spezifischen Auswertung von ganz bestimmten wichtigen Informationen gebe es viele Abstufungen.
Freiwillige Programme mit nur lokal gespeicherten Daten hält Schrems auch in Österreich für machbar: „Das entspricht dann eher dem eigenverantwortlichen Mitnehmen eines Lawinen-Piepsers als einer zentralen Totalüberwachung.“