Sachbuch

„Kunst & Verbrechen“: Goldene Raubzüge und ein Wasserschaden

Die goldene Kloschüssel „America“, ein Kunstwerk von Maurizio Cattelan wurde im September 2019 entwendet. Wert: Sechs Millionen Dollar.
© AFP

Stefan Koldehoff und Tobias Timm schauen in „Kunst & Verbrechen“ auf verschiedenste illegale Machenschaften im internationalen Kunstbusiness.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck – Kunstwerke aus Gold haben einen besonderen Wert. Wenn nach einem Raub das Kunstwerk im Ganzen schon nicht verkauft werden kann, dann doch wenigstens eingeschmolzen. Dachten sich die Räuber der 100-Kilo-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum, die vor Kurzem zu mehrjährigen Haftstrafen verdonnert wurden. Rund vier Millionen war der Goldwert der Münze, die sie über ein Fenster in einem Umkleideraum entführt hatten und von der bis heute jede Spur fehlt. Wahrscheinlich wurde sie eingeschmolzen.

Wortwörtlich kein Griff ins Klo war auch der Diebstahl von Maurizio Cattelans „America“, einem goldenen Klosett, das im September 2019 aus dem Schloss Blenheim in Oxford entwendet wurde; bisher gibt es erst einen Tatverdächtigen. Ohne große Klempnerkenntnisse, aber mit ordentlich Karacho (das Team rückte mit zwei Fahrzeugen an) wurde das stille Örtchen aus der Wand gerissen. Zurück blieb ein enormer Wasserschaden.

Absurde Zusatzinfo: Der Künstler selbst wurde der Tat verdächtigt. Dem Komiker und den Künstlern (2019 hatte Cattelan auf der Art Basel Miami eine handelsübliche Banane an die Wand geklebt und für 120.000 Dollar verkauft) traute man so einen Gag zu. Mit solchen Details gespickt erzählen Stefan Koldehoff und Tobias Timm in ihrem neuen Buch „Kunst & Verbrechen“ von spektakulären Coups.

Aber nicht nur, das Autorenduo – das 2012 dem Fälscher Wolfgang Beltracchi ein Buch widmete – fächert das ganze Spektrum an illegalen Machenschaften im Kunstbetrieb auf: Sie tauchen ein ins Geschäft mit Nazi-Devotionalien, berichten vom Schmuggel illegal ausgegrabener Antiken oder den Freihäfen – den Dark­rooms des Kunstbetriebs, wie sie die Autoren nennen. Fakt ist: Trotz verbesserter Zusammenarbeit der Ermittler und neuer Untersuchungsmethoden etwa bei Fälschungen, die Kriminalität im Kunstbusiness floriert. Agiert wird mit stets neuen Methoden. Ein Beispiel: Wird ein Kunstwerk heute gestohlen, handelt es sich meistens um „Artnapping“, sprich, die Diebe setzen auf Lösegeld oder die Versicherungen. Globalisierung und die vornehme Diskretion des Kunstbetriebs fördern das kriminelle Klima, so Koldehoff und Timm. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Hubertus Butin, der im März sein Buch „Kunstfälschung“ veröffentlichte.

Besonders spannend, die Kriminellen kommen aus allen Bereichen: Im Kapitel zum Antikenschmuggel ist eine Institution der Bösewicht: Das Getty-Museum kaufte ab den Achtzigern ohne große Skrupel Objekte aus illegalen Grabungen trotz fehlender Exportgenehmigungen an.

Wer selbst in den Kunstmarkt einsteigen möchte, sollte nach 300 spannenden und kurzweiligen Seiten den Fragenkatalog des Autorenduos durchgehen – am besten vor jedem An- oder Verkauf.

Wer das Buch weglegt, merkt, in der Tagespresse schreibt sich die Story weiter: Ende März wurde Van Goghs „Frühlingsgarten“ (1885) aus einem Corona-bedingt geschlossenen Museum in den Niederlanden entwendet. Von den Dieben und dem Raubgut n fehlt bis heute jede Spur. Ebenso übrigens wie von Cattelans goldenem Töpfchen.

Sachbuch. Stefan Koldehoff, Tobias Timm: Kunst & Verbrechen. Kiepenheuer & Witsch, 328 S., 20 Euro.

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