Politischer Aktionismus am Rathausplatz am 1. Mai ohne SPÖ

Der 1. Mai wird heuer im Zeichen der Corona-Pandemie und des dadurch ausgelösten Rekordstands an Arbeitslosen. Der Wiener Rathausplatz bot ein völlig anders Bild als sonst: Er war so gut wie leer. Die SPÖ hat ihre Kundgebung virusbedingt abgesagt und feiert via TV-Produktion. Die Lücke nutzten andere Proponenten - aus höchst unterschiedlichen politischen Lagern - für Aktionismus am Rathausplatz.

Die Sozialdemokratie war zumindest mit einigen Plakaten präsent, auf denen groß „Freundschaft“ zu lesen war, flankiert von überdimensionalen Pappnelken. Rote Fahnen waren aber auch ganz in echt zu sehen. Die linke Initiative „Selbstbestimmtes Österreich“ hielt nämlich ab 10.00 Uhr eine kleine Kundgebung ab - genau dort, wo ansonsten die sozialdemokratischen Spitzenfunktionäre am 1. Mai ihre Reden halten.

Tribüne war jedoch keine aufgebaut, man begnügte sich mit Lautsprecher und Mikrofon. Am Asphalt waren mit Kreide Sterne aufgemalt worden. Das war keinesfalls nur eine politische Botschaft, sondern eine Notwendigkeit. Sie markierten den nötigen Abstand, denn die Ein-Meter-Coronavirus-Regel gilt auch für Demonstrationen.

Ohne besondere Vorkommnisse lief auch die zweite nennenswerte politische Kundgebung gegen die Covid-19-Politik der Regierung in Wien ab. An die 400 Menschen versammelten sich nach einem Aufruf der Initiative für evidenzbasierte Corona-Informationen (ICI) vor dem Bundeskanzleramt. Gefordert wurde das sofortige Ende aller Corona-Maßnahmen. Als Redner traten unter anderem der Rechtsanwalt Roman Schiessler und der Arzt Christian Fiala auf, der das „Social Distancing“ als Folter bezeichnete, was mit großem Beifall beantwortet wurde. „Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Grund, vor diesem Virus Angst zu haben“, sagte der Allgemeinmediziner und Gynäkologe.

Vehement wies Fiala darauf hin, dass der Mund-Nasen-Schutz kontraproduktiv, ja sogar gefährlich sein könne. Er sprach in dem Zusammenhang etwa von einer Studie, die zeige, dass durch die Masken der CO2-Gehalt in Blut und Gehirn steige, was zu einer reduzierten Gehirnaktivität führe.

Mehrmals wurde über die Lautsprecheranlage dazu aufgerufen, den gebotenen Ein-Meter-Abstand einzuhalten. Diesbezüglich - und auch sonst - gab es keine Beanstandungen durch die Polizei. Die Veranstalter hatten vor der Versammlung auch Abstandspunkte in pink auf den Boden gesprüht.

Einige Teilnehmer waren mit Transparenten oder beschriebenen Masken (z.B. „Freiheit statt Corona-Diktatur“, „Mund-tot“) gekommen. Für einen Moment ertönten „Kurz muss weg“-Rufe, sonst blieb es aber ruhig. Unter das Publikum hatte sich auch Identitären-Chef Martin Sellner gemischt, der oft angesprochen wurde. Nach einer Stunde wurde die Versammlung für beendet erklärt, die Menge löste sich auf.

Die SPÖ bietet anstelle der Maikundgebung am Wiener Rathausplatz eine Fernsehproduktion. Die im Karl-Marx-Hof gedrehte Mai-Show ist ab 10.30 Uhr auf dem Stadtsender W24, auf oe24.tv und Puls24 sowie im Internet zu sehen. FPÖ, NEOS und KPÖ begehen den 1. Mai heuer ebenfalls online mit Videoprojekten. Die ÖVP verzichtet auf ihre übliche „Tag der Arbeit“-Aktion, die Grünen haben sich - wie üblich schon am 30. April - nur digital zu Wort gemeldet.

Die FPÖ wiederum hat ein Video am Platz gedreht. Der geschäftsführende Obmann der Wiener Blauen, Dominik Nepp, begrüßte darin die Absage der traditionellen Maikundgebung und höhnte über „sozialistische Bonzen“, die sich sonst am Rathausplatz „abfeiern“ lassen. Allerdings wurde auch der Bund - konkret das Vorgehen bei den Virus-Gesetzgebungen - ins Visier genommen.

Einige kapitalismus- und regierungskritische Gruppierungen wollten aber auch in Zeiten der Pandemie nicht auf 1. Mai-Demos verzichten. In Wien wurden 15 Versammlungen angemeldet. Die Polizei wird die Einhaltung der Sicherheitsregeln - Maske und Abstand - überwachen, die Verantwortung dafür tragen die Veranstalter. Die größte Ansammlung - mehr als 500 Menschen - erwartet die Polizei bei der Schlusskundgebung der „mayday“-Demonstration am Abend am Rathausplatz.

Einige Werktätige bekamen Besuch von Regierungsmitgliedern. Türkise und grüne Minister und Ministerinnen waren über Österreich verstreut unterwegs, um sich bei Mitarbeitern der Lebensmittel- oder Stromversorgung, in Verkehrsbetrieben, bei Polizisten, Richtern, Justizwache, Pflegerinnen bis hin zu Tierbetreuern zu bedanken.

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