"Shuttleservice" für Amphibien: Heuer mehr als 12.000 Exemplare gerettet
Die Wanderung zu ihren Laichplätzen überleben viele Kröten, Frösche und Molche nicht. Mehr als 12.000 geschützte Exemplare konnten heuer gerettet werden.
Von Jasmine Hrdina
Innsbruck – Was für ein tierischer Salat. Körper schmiegen sich aneinander, die vielen Schenkel lassen sich ihren Besitzern kaum zuordnen. Hie und da glupscht ein Auge hervor, kollektives Quaken kommentiert das Geschehen.„Die kuscheln gern miteinander, es macht ihnen nichts aus“, sagt Christian Plössnig einen Blick in den Eimer voll Amphibien werfend. Zweimal am Tag brachte der Umweltschützer in den vergangenen fünf Wochen dutzende solcher Lebend-Ladungen in Hatting von einer Straßenseite zur anderen. Ein enormer Aufwand, mit dem Ziel vom Aussterben bedrohte Amphibienarten zu retten. Spezielle Zäune und ein „Shuttleservice“ machen es möglich. Mehr als 12.000 Frösche, Kröten, Molche und Co. wurden allein heuer tirolweit so bei ihrer Fortpflanzung unterstützt.
Im März, wenn die Temperaturen nachts wieder vier bis fünf Plusgrade erreichen und die Luftfeuchtigkeit ausreicht kriechen die Amphibien nach und nach aus ihren Winterquartieren im Unterholz der Wälder hervor. Instinktiv begeben sie sich auf Wanderschaft zu naheligenden Gewässern, um dort zu Laichen, erklärt Plössnig. Ein Großteil würde sein Ziel aber nie erreichen: Die Überquerung viel befahrerener Straßen gleicht einem Massaker. „Selbst, wenn sie nicht von Reifen erfasst werden, sterben sie aufgrund des Unterdrucks durch die Autos. Innerlich zerreißt es ihnen die Organe.“
An Orten, wo es größere Amphibienpopulationen gibt, behilft man sich damit, in den Laichmonaten von März bis Mai Zäune zu errichten. In Tirol halten die teilweise mehr als einen Kiolemter langen, kniehohen Hürden in der Nähe von Feuchtgebieten in Walchsee, Kramsach, Hatting und Breitenwang die Tiere davon ab, in den sicheren Tod zu laufen. In Sellrain steht der Zaun das genze Jahr über. Auf der Suche nach einem Übergang plumpsen die Wanderer in Kübel, die in der Erde vergraben sind. Dort warten sie, bis sie in den Morgen- und Abendstunden von den landesbediensteten Betreuern auf die andere Straßenseite gebracht werden. „Jeder Kübel ist eine Überraschung“, freut sich Franz Goller, Zaunbeauftragter in der „Schwemm“ in Walchsee. „Es kann vorkommen, dass sie leer bleiben. Ich hatte aber auch schon 700 Tiere, die ich auf einmal transportieren musste.“
Die Tiroler Feuchtgebiete gehören zu den letzten Habitaten seltener Arten. In Breitenwang berichtet Andreas Moosbrugger von einem der letzten Vorkommen der Kreuzkröte. Rund um das hiesige Schotterwerk errichtete er daher Tümpel, die er jeden Sommer mit 70.000 Litern Wasser vor dem Austrocknen bewahrt – eine Auflage der Umweltbehörden. „Die Krötlein bleiben dort bis zu acht Wochen und sind fünf bis sieben Milimeter groß“, gibt er Einblicke in die Welt der empfindlichen Lebewesen.
„Es ist enorm wichtig, dass wir mit den Zäunen die Fortpflanzung der vom aussterben bedrohten Amphibien unterstützen“, betont Philipp Larch, der sich am Kramsacher Krummsee für den Erhalt der Gelbbauchunken stark macht. Das zunehmend trockene Klima und der Verlust von Lebensräumen setzen ihnen zu. „Junge Kröten sind wichtige Nahrungsquellen für Reiher oder Füchse. Libellenlarven ernähren sich von Kaulquappen“ deutet Larch an, was passiert, wenn die quakenden Steine der Nahrungspyramide – auf dessen Spitze es sich der Mensch bequem gemacht hat – wegfallen würden.