Eigene Spielregeln bei Kindergarten-Öffnungen: Angst vor Chaos bei Kleinen
Anders als in der Schule herrscht in Österreichs Kindergärten noch Verwirrung zum Re-Start für alle. Je nach Ort gelten andere Regeln. Das verunsichere Kinder wie Eltern, kritisieren Expertinnen.
Von L. Pircher, B. Troger
Wien, Innsbruck – Jedes Bundesland, jede Gemeinde, jeder Betreiber habe seine eigenen Spielregeln in der Corona-Krise aufgestellt, sagt Raphaela Keller, Sprecherin vom Berufsverband der Kindergarten- und Hortpädagogen. „Das hat so weit geführt, dass in der einen Gemeinde die Kinder beim Eingang mit Maskenpflicht für Eltern, Kinder und Pädagoginnen empfangen werden, aber nur ein paar Kilometer weiter alle ohne“, sagt sie. In Österreich seien aber alle Menschen gleich ansteckend.
Unabhängig davon seien viele Auflagen – vom Abstandhalten bis hin zur Gruppengröße – so nicht umsetzbar: „Überall herrscht ein Mangel an Pädagoginnen, dazu kommen Platzprobleme und dann gibt es noch das Bedürfnis von Kindern nach Nähe, wie soll das alles funktionieren?“ fragt Keller. Eine Sicht, mit der sie nicht alleine ist. Mit der neuen Verordnung von Seiten des Landes, die bis 15. Mai gilt, seien Pädagogen in ihrer alltäglichen Arbeit alleine, berichtet Susanne Windisch, Psychologin und Vorstandsmitglied des Berufsverbandes für den elementarpädagogischen Bereich (BEB). „Die Vorgaben stehen in krassem Gegensatz zu den Leitlinien und Vorschriften in unserem Beruf.“
Dass ein bis zwei Meter Abstand eingehalten werden sollen, sei „in der pädagogischen Arbeit einfach unmöglich“, stellt sie klar. Vielen Kindern müsse etwa beim Toilettenbesuch geholfen werden, kleinere werden gewickelt. Vor allem für Kinder in den Krippen, die unter drei Jahre alt sind, seien Körperkontakt und Nähe sehr wichtig. Die Psychologin registrierte auch, dass zahlreiche Kinder verunsichert seien.
„In fast allen Einrichtungen gibt es wichtige Begrüßungsrituale, fast immer mit Körperkontakt“, erläutert sie. Und: „Viele sind wie gewohnt auf uns zugekommen und schreckten dann richtig zurück.“ Man wolle, könne und werde beim Trösten oder einer Vertrauensbekundung kein Kind zurückweisen. „Wir sind schließlich enge Bezugspersonen“, erklärt sie, „Je fremder und distanzierter wir uns verhalten, umso stärker wird die Beziehung beeinträchtigt.“
Schwierig werde auch die neue Eingewöhnung – viele Kinder waren über Wochen zuhause: „Manche müssen mit der Eingewöhnung von vorne beginnen – und das oft ohne ihre Vertrauensperson.“