Corona macht Unterricht „tricky": Musikschulbesuch in Tirol kein Selbstläufer
Mangels direkter Präsentationsmöglichkeiten müssen Musikschulen kreativ werden, um Schüler anzusprechen.
Reutte, Imst, Wörgl – Abertausende Schüler und Schülerinnen besuchen Musikschulen in Tirol, allein in Reutte sind es 1400. Seit Corona sind die Unterrichtsformen durchaus „tricky“ geworden. Das Home-Office wurde zur Konzerthalle, Eltern waren viel näher am Unterricht, Griffe wurden via Skype geübt. Eine neue und teils anstrengende Erfahrung für Lehrer wie Schüler. Nach der Rückkehr in die Schulgebäude kehrt die Normalität noch nicht ganz zurück, man lebt und spielt unter besonderen Umständen. Bläser dürfen wegen Corona etwa nicht mehr zueinander ausgerichtet sein, Räume müssen wegen fliegender Aerosole mindestens 16 m² groß sein. Eigene Wasserkübel stehen bereit, um die Flüssigkeit einer Trompete abtropfen zu lassen. Klaviere müssen nach jeder Stunde gründlich desinfiziert werden. Eine dauernde Abstand/Nähe-Prozedur ist im Gange. Trotzdem sind alle froh, wieder in gewohnter Umgebung unterrichten zu können.
Reuttes Musikschuldirektor Tobias Lämmle gegenüber der TT: „Leider dürfen wir im Moment keine Veranstaltungen, also auch keinen Tag der offenen Tür, machen. Somit bangen wir schon etwas um die Anmeldesituation an der Musikschule für Herbst.“ Am Tag der offenen Tür wurde die Musikschule Reutte in den Jahren zuvor immer gestürmt. Kinder konnten alle Instrumente ausprobieren – auch ein haptisches Erlebnis. Auch Schulbesuche oder eine elementare Musikpädagogik an Kindergärten sind nicht möglich. Da Lämmle Neuanmeldungen keineswegs als Selbstläufer sieht, hat die Schule reagiert. Die Anmeldefrist wurde bis Ende Juni verlängert – und die 46 Musiklehrer und -lehrerinnen haben zu Hause kleine Filme produziert, um Instrumente zu bewerben. Lämmle trat als Cutter in Erscheinung und hat alles geschnitten. Auf der Homepage der LMS Reutte ist das Ensemble nun unter „Fächerangebot“ abrufbar. Für die Kleinen wurde ein eigener Streifen, „Die Abenteuer des kleinen Musibald – Märchenfilm“, produziert.
Die dekorative, von einem herrschaftlichen Garten umgebene Stapfvilla beherbergt die Landesmusikschule in Imst. Als Direktor von „Klein-Hogwarts“ fungiert seit gut zwei Jahren Johannes Nagele. Seine 600 Schüler hantieren zwar nicht mit Zauberstäben, aber mit Taktstöcken und vielerlei musikalischem Equipment. Auch Nagele bedauert, keinen Tag der offenen Tür abhalten zu können: „Das war schon ein Höhepunkt, ebenso wie unser Abschlusskonzert, um auch zukünftige Schüler anzusprechen. Wir setzen nun auf die Möglichkeit, nach Voranmeldung, zum Schnuppern zu kommen.“
Auch wenn die im Mai geplanten offenen Unterrichtstage und der Tag der offenen Tür nicht durchgeführt werden konnten, ist Johannes Puchleitner, Direktor der LMS Wörgl, sehr zuversichtlich: „Die Anmeldungen für den Herbst sind nicht schlechter als in den vergangenen Jahren.“ Auch bei der LMS St. Johann mussten im Frühjahr die Schnuppertage entfallen. Für jedes Instrument, das an der Schule angeboten wird, wurde zwischenzeitlich ein eigener Informationsfolder erstellt, abrufbar auf der Homepage. (hm, top, mm)