Elektroauto ID.3 von VW: Spätstarter mit Erfolgsdruck
Mit dem vollelektrischen ID.3 will VW den E-Auto-Markt erobern. Doch die Erwartungshaltung ist keine leichte. Ist der Stromer reif für die Golf-Ablöse?
Von Stefan Pabeschitz
Wolfsburg – In den letzten vierzig Jahren lautete das Rezept für Erfolgsmodelle aus Wolfsburg in etwa so: statt der Erste zu sein, lieber aus den Fehlern der anderen lernen und es dann richtig machen. Diesmal hat das nicht so ganz geklappt – die Entstehungsgeschichte des ID.3 ist reich an hauseigenen Pannen. Wobei sich nicht der E-Antrieb selbst, sondern die komplexe Bord-Software als widerspenstig erwies.
Äußerlich setzt das Auto, das mit dem Anspruch antritt, eben der Volkswagen unter den E-Fahrzeugen zu werden, auf mehrheitsfähiges, gefälliges Design – etwa, als hätte der Golf eine bis zwei Generationen übersprungen. Auch dessen markantestes Element, die breite C-Säule, findet sich wieder. Die Sitzposition ist hoch, beinahe SUV-artig, das Raumgefühl drinnen großzügig. Auch beim Kofferraum knausert der mit 4,26 Meter etwa Golf-große Newcomer nicht: Mit 385 bis 1267 Litern Stauraum liegt er im Kompaktsegment im guten Mittelfeld.
Das modern, aber übersichtlich gestaltete Cockpitlayout wirkt angenehm reduziert und unaufdringlich, die Bedienung ist simpel und gelingt auf Anhieb intuitiv. Manche Bildschirmmenüs enden allerdings als Sackgassen ohne Retour-Funktion – hier wäre noch ein wenig Nachbessern gefragt. Leider enttäuscht die Materialqualität: Bis auf die farblich abgesetzte Armaturenbrettauflage sind ausschließlich billig wirkende Hartplastik-Oberflächen verbaut. Auch die Sitzstoffe fühlen sich alles andere als hochwertig an und selbst bei den Fensterhebern wurde gespart – für die Scheiben der hinteren Türen gibt es vorne keine Tasten, sie können also vom Fahrersitz aus nicht bedient werden.
Fahrdynamisch kann der ID.3 hingegen eindeutig punkten: Trotz knapp 1,75 Tonnen Fahrzeuggewicht haben die 204 PS und 310 Newtonmeter Drehmoment wenig Mühe mit dem Vortrieb. Der Stromer ist damit ausreichend agil, spurtet in 7,3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und hält den Zug auch bis zum abgeriegelten Limit von 160 aufrecht. Den Hinterachsantrieb lässt er sich so gut wie gar nicht anmerken – das Handling bleibt in jeder Fahrsituation auffallend neutral. Die Lenkung ist leichtgängig und nicht übertrieben direkt, der Wendekreis von nur 10,2 Metern ermöglicht knappe und bisweilen witzige Manöver, unterstützt vom niedrigen Schwerpunkt durch die Batterieposition im Unterboden. Gelohnt hat sich auch der Aufwand bei der Geräuschdämmung – der ID.3 gleitet so gut wie geräuschlos dahin und filtert auch Fahrbahn-Einflüsse auszeichnet weg.
Von den später verfügbaren drei Batteriegrößen für 330, 420 und 550 Kilometer Reichweite wird zum Marktstart im August nur die mittlere angeboten. Die Katalog-Distanzen erwiesen sich bei ersten ausgiebigen Testfahrten als glaubwürdig – nur auf Autobahnpassagen reduziert sich die Reichweite um etwa ein Drittel. In 30 Minuten lassen sich die Akkus im Idealfall an einer Schnell-Ladesäule wieder für bis zu 290 Kilometer Reichweite befüllen.
Preislich beginnt der Einstieg vorerst mit dem Modell Pro Performance zu 35.000 Euro – allerdings ohne die Möglichkeit, weitere Ausstattungspakete dazuzuwählen. Sparsam geht es auch bei den Assistenzsystemen zu – außer Spurhalte- und Notbrems-Hilfe ist in dieser Basisversion nichts an Bord. Weitere Ausstattungsstufen, genannt Life, Style, Business, Family, Tech und Max, liegen zwischen 37.140 und 45.560 Euro, natürlich abzüglich der aktuellen E-Mobilitätsförderungen. Der Tarif für das 2021 erhältliche Einstiegsmodell Pure mit kleiner Batterie soll bei 30.000 Euro liegen.