Starfotograf Helmut Newton: Ein Provokateur mit Stil
Regisseur Gero von Boehm setzt dem aus Berlin stammenden Starfotografen Helmut Newton zum 100. Geburtstag ein dokumentarisches Denkmal.
Von Markus Schramek
Innsbruck –„Ich liebe die Frauen!“, beteuert Helmut Newton. Doch Susan Sontag kauft dem Fotografen diese Nummer, vorgetragen mit spitzbübischer Unschuldsmiene, nicht einen Millimeter weit ab. „Ihre Fotos sind frauenfeindlich und erniedrigend“, eröffnet die US-Autorin ihrem Gegenüber.
„So what!“, mag sich Newton gedacht haben. Ihm war es schlicht egal, ob andere seine Aufnahmen mochten, Hauptsache, sie machten ihm selbst Spaß. Und im Geschäft war er bestens. Zu seinen Lebzeiten, die 2004 durch einen Autounfall in Los Angeles nach 83 Jahren jäh endeten, rissen sich Modemagazine wie die Vogue und Promis der Zeit um fotografisches Material der Marke Newton.
Dieses kannte ein Hauptthema: den weiblichen Körper, mehr oder weniger verhüllt, oft in Schwarz-Weiß, raffiniert mit Licht und Schatten spielend, provokant und hocherotisch. Da konnte so ein halbnackter Body schon einmal im Schlund eines Deko-Krokodils verschwinden. Oder Model Nadja Auermann räkelte sich mit einem (nur fast echten) Schwan auf dem Bett, was Moralwächter glatt in die Nähe von sodomitischer Anbahnung rückten.
Auermann ist nur eine der namhaften Interviewpartnerinnen, die Regisseur Gero von Boehm für die Jubiläums-Doku „Helmut Newton – The Bad and the Beautiful“ vor die Kamera geholt hat. 100 Jahre ist es nämlich her, dass Newton als Helmut Neustädter in Berlin geboren wurde.
„Helmut war ein bisschen pervers, aber das bin ich auch"
Kritische Einwände wie jene Susan Sontags bleiben über 90 Filmminuten die Ausnahme. Newtons ehemalige Fotomodels hätten die Chance zur späten Abrechnung. Doch sie huldigen dem Meister posthum.
Schauspielerin Charlotte Ramplings Augen glänzen, wenn sie an Newtons feine Art bei den Nacktaufnahmen anno 1973 denkt. Sängerin Marianne Faithfull fühlte sich vor der Linse des Meisters gar von ihrer strengen Erziehung in einer Klosterschule befreit. Künstlerin Grace Jones bringt ihre Huldigung ziemlich geradeheraus: „Helmut war ein bisschen pervers, aber das bin ich auch. Das ist okay.“
Stein und Bein schwören die Models von seinerzeit, dass Newton sich ihnen gegenüber stets wie ein Sir verhalten habe. Gattin June war bei den Shootings oft dabei und sie, selbst eine Fotografin von Rang, griff zur Kamera, um den Gespons bei der Arbeit abzulichten. Für June Newton war Helmut ein Schlingel, ein „naughty boy“, wie sie es liebevoll formuliert.
Helmut Newton war Jude. Er floh 1938 als junger Mann vor den Nazis nach Asien, später nach Australien, wo seine Karriere den Anfang nahm. Freimütig erzählt er, dass ihn die Bildsprache Leni Riefenstahls (die für die Nazis Propaganda-Filme drehte) beeindruckt hat: „Das waren die Bilder, die ich als junger Mensch ständig sah.“ Newton hat Riefenstahl nach dem Krieg auch porträtiert.
Filmtipp
Helmut Newton – The Bad and the Beautiful
Ab Freitag, 24.7., im Leokino Innsbruck.
Von Boehms filmische Doku ist ein flott geschnittenes, geistreiches Potpourri mit einem Querschnitt aus Newtons Fotokatalog und von O-Tönen, das Dokument einer Zeit, die es künstlerisch so nicht mehr geben wird. Nacktheit mag vor 40 Jahren noch provoziert und zum „Stopper“ getaugt haben, wie es Vogue-Chefin Anna Wintour beschreibt: Fotos, an denen der Leser beim Durchblättern hängen bleibt.
Dass seine Aufnahmen – neben aller Ästhetik – beim Betrachter auch noch ganz profane Neigungen bedienen können, stand zumindest für Newton selbst völlig außer Frage: „Ich bin ein professioneller Voyeur.“