Prozess gegen mutmaßlichen Halle-Attentäter beginnt
Neun Monate nach dem rechtsterroristischen Anschlag in der ostdeutschen Stadt Halle hat am Dienstag der Prozess gegen den Angeklagten begonnen. Der Attentäter hatte am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, schwer bewaffnet versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen und in der Folge zwei Menschen getötet.
Laut Bundesanwaltschaft wollte Stephan B. möglichst viele der 52 Besucher töten. Er konnte sich jedoch auch mit Waffengewalt keinen Zutritt verschaffen. Daraufhin tötete er eine Passantin vor der Synagoge und einen Mann in einem Dönerimbiss. Außerdem verletzte er auf seiner Flucht mehrere Menschen, bevor ihn Polizisten gut eineinhalb Stunden nach Beginn der Tat etwa 50 Kilometer südlich von Halle festnahmen.
Schon bei Fragen zu seinem persönlichen Werdegang sprach er am Dienstag mehrfach abwertend über Zuwanderer in seinem Dorf im Süden Sachsen-Anhalts. Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, „aus einer antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Gesinnung heraus einen Mordanschlag auf Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens“ geplant zu haben.
Auf Fragen der Vorsitzenden Richterin zu seinem Werdegang antwortete der Mann knapp. Gute Freunde habe er nicht gehabt, er sei auch in keinem Verein gewesen. Er habe vor allem Interesse am Internet gehabt, weil man sich dort frei unterhalten könne. „Man fragt sich natürlich, wie man solche Taten verhindern kann, ich habe da natürlich kein Interesse dran“, sagte B. Nach dem verkürzten Wehrdienst habe er sein Studium habe er krankheitsbedingt abgebrochen, danach habe er in den Tag hinein gelebt. „Nach 2015 hab ich entschieden, nichts mehr für diese Gesellschaft zu tun“, sagte er.
Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg findet wegen des großen öffentlichen Interesses und aus Sicherheitsgründen im größten Verhandlungssaal Sachsen-Anhalts in der Landeshauptstadt Magdeburg statt. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich Menschen aus Solidarität mit Betroffenen, Hinterbliebenen und Opfern versammelt. Die Kundgebung mit dem Motto „Solidarität mit den Betroffenen - keine Bühne dem Täter“ will dafür sorgen, dass die Nebenklägerinnen und Nebenkläger nicht allein in den Prozess gehen, hieß es von den Veranstaltern. Vor Prozessbeginn sprachen die Veranstalter von rund 100 Teilnehmern.
Das Gerichtsverfahren gilt als eines der größten und bedeutendsten in der Geschichte Sachsen-Anhalts. Für das Verfahren sind zunächst 18 Verhandlungstage bis Mitte Oktober angesetzt. Im Fall einer Verurteilung droht dem Mann eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung.