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„Future Operations Board“: Damit zur Milch auch das Packerl da ist

Das „Covid 19 Future Operations Clearing Board“ will Übersetzungsarbeit zwischen Politik und Wissenschaft leisten.
© APA

Ex-Minister Starlinger und Kanzlerberaterin Mei-Pochtler wollen Politik und Wissenschaft vernetzen. Anstoß war die Corona-Krise.

Von Wolfgang Sablatnig

Wien – Die Seite des „Covid 19 Future Operations Clearing Boards“ im Internetangebot des Bundeskanzleramtes bietet noch nicht viel. Einige Organigramme, Logos von Universitäten und Forschungsinstituten, eine Auflistung von Ministerien. Thomas Starlinger, Generalmajor des Bundesheeres, Verteidigungsminister in der Übergangsregierung nach dem Ibiza-Crash und Adjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, will aber bald Inhalte folgen lassen. Erste Ergebnisse der Arbeit von Wissenschaftern verschiedenster Disziplinen seien im Entstehen. Ein Thema dabei: Fragen der grundlegenden Versorgung der Bevölkerung mit Schwerpunkt Lebensmittel.

Das „Future Operations Board“ geht auf eine gemeinsame Initiative von Starlinger und der Kanzler-Beraterin Antonella Mei-Pochtler zurück. Sie haben seit Beginn der Corona-Krise versucht, das Wissen von Experten zu bündeln, um der Politik Grundlagen für ihre Entscheidungen zu liefern.

Der wesentliche Unterschied zu anderen Beraterstäben ist die Zusammenarbeit über viele Wissenschaftsbereiche hinweg – Stichwort „Interdisziplinarität“. „Sie werden in Europa nichts Vergleichbares finden“, ist Starlinger überzeugt. An Bord seien praktisch alle österreichischen Universitäten, Fachhochschulen, viele Institute und Forschungseinrichtungen, in Summe rund 200 Personen.

Bisher haben vier Arbeitsgruppen ihre Arbeit aufgenommen. An erster Stelle steht der Schwerpunkt Gesundheit. Ein Arbeitspapier wird sich mit den vier „T“ befassen: Tracking, also Erkennen der Infektion. Tracing, das Nachverfolgen der Ansteckungskette. Testing und Treatment (Behandlung).

„Die Experten wollen aufzeigen, welche Erkenntnisse bisher aus der Covid-Krise gewonnen wurden und wo aus wissenschaftlicher Sicht noch Lücken sind“, sagt Starlinger.

Ein Problem beim Übertragen der wissenschaftlichen Erkenntnisse in praktische Politik seien die unterschiedlichen Zugänge: „Ein Politiker hat heute eine Frage. Er hat dabei die Pressekonferenz von morgen im Kopf und will um Mitternacht eine Antwort haben.“

Und die Wissenschafter? Sie denken in längeren Zeiträumen. Die Arbeit an einem wissenschaftlichen Papier kann auch ein halbes Jahr oder Jahr dauern. Und dann kommt die „Peer Review“, also die Überprüfung der Ergebnisse durch andere Experten. In der Regel wird ein „Paper“ erst dann veröffentlicht, wenn diese Qualitätsschleife durchlaufen ist.

Mei-Pochtler und Starlinger wollen hier aufs Tempo drücken. „Wir wollen die Wissenschafter animieren, über ihren Schatten zu springen.“

Aktuell laufen die Fäden bei Mei-Pochtler im Bundeskanzleramt und ihm zusammen. Die Strategieberaterin leitet auch „Think Austria“, den „Thinktank“ von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Aktuell ist auch die Website des „Clearing Board“ im Angebot des Bundeskanzleramts zu finden. Dennoch handle es sich um eine eigenständige Initiative, betont Starlinger.

Er denkt auch an Weiterentwicklungen der Plattform, inhaltlich wie organisatorisch. Was Mei-Pochtler und er aktuell neben ihren sonstigen Aufgaben erledigen, sollte institutionalisiert werden. Personen mit der nötigen Glaubwürdigkeit und den ebenfalls wichtigen guten Kontakten würden zu finden sein, ist er überzeugt. Sein Ideal wäre, dass nicht nur die Regierung, sondern auch andere Parteien ihre Fragen an die Plattform stellen können.

Inhaltlich könnte das Aufgabenspektrum um andere Fragestellungen erweitert werden. Was tun bei einem Blackout? Wie steht es mit der Anpassung an die Digitalisierung? Das große Thema Klimaschutz? Schon jetzt befasst sich die Gruppe „Wirtschaft und Arbeitsmarkt“ auch mit Fragen der Umweltökonomie. Die Gruppe „Gesellschaft und Psychosoziales“ befasst sich mit den Folgen der Pandemie für Arbeitswelt, Bildung und benachteiligte Gruppen.

Und es gibt als Viertes das Thema „Grundversorgung und Logistik“. Auch hier seien bald erste Ergebnisse zu erwarten, die zeigen, dass ein breiter Ansatz nötig ist. So werden rund zwei Drittel der in Österreich benötigten Lebensmittel im Land selbst erzeugt. Das ist aber nicht genug für Starlinger: „Wir können die Milch produzieren. Aber was hilft uns das, wenn wir bei der Verpackung vom Ausland abhängig sind?“