Für den WWF wird in Osttirol zu viel gebaut: Kraftwerke als ewiger Zankapfel
Die Naturschutzorganisation ruft die EU-Kommission wegen Kraftwerksprojekten im Einzugsgebiet der Isel an.
Lienz – Osttirol und seine Kraftwerksprojekte – das ist eine lange Geschichte, die bis in die 1980er-Jahre zurückreicht. Damals wurde auf Druck von Umweltaktivisten das gigantische Kraftwerk Dorfertal verhindert. Die Diskussion über die Ausweisung von europäischen Natura-2000-Schutzgebieten sorgte dann vor einigen Jahren für heftige emotionale Aufwallungen. Es ging um den Erhalt der Isel als einzigartige Wildflusslandschaft und um ihre Zubringerbäche. Schlussendlich wurden die gesamte Isel sowie Teile des Kalser- und Tauernbachs sowie der Schwarzach unter Schutz gestellt.
Zugleich gibt es außerhalb der Natura-2000-Schutzgebiete einige Kraftwerksvorhaben in Osttirol, am Ausbau des Kraftwerks Schwarzach entzündeten sich zuletzt die Gemüter. Der Landesenergieversorger Tiwag plant dort eine Erweiterung mit einer zweiten Turbine. Die Naturschutzorganisation WWF beeinspruchte den positiven Bescheid, blitzte danach aber mit der Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht ab. Wie auch mit der außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof, die abgewiesen wurde. Das ist jetzt allerdings Auslöser für eine Beschwerde bei der EU-Kommission.
Gleich sechs Kraftwerksprojekte werden an den Isel-Zubringern forciert, eines sogar direkt am Hauptfluss, kritisiert der WWF. „Aufgrund der kurzsichtigen Verfahrens- und Prüfungspraxis in Tirol“, sieht sich deshalb der WWF dazu gezwungen, eine Beschwerde an die EU-Kommission zu richten – konkret wegen der unzureichenden Umsetzung der Naturschutzziele der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. „Der Wildwuchs an Kraftwerksvorhaben in Osttirol bedroht eines der letzten großen Gletscherflusssysteme der Alpen. Die Tiroler Landesregierung muss daher seine internationalen Schutzverpflichtungen endlich ernst nehmen und den Wasserkraftausbau im Isel-Gebiet einschränken“, fordert WWF-Gewässerschutzexperte Gerhard Egger.
Für den WWF benötigt es eine Gesamtstrategie für eine möglichst naturverträgliche Nutzung der Wasserkraft sowie ein konkretes Erhaltungskonzept für das Schutzgebiet. Egger: „Aufgrund ihrer ökologischen Besonderheit ist die Isel seit 2015 als Natura-2000-Gebiet geschützt. Dennoch wird ihr Einzugsgebiet immer mehr verbaut.“ (pn)
Kraftwerke als ewiger Zankapfel
Das Land Tirol setzt für die Energiewende 2050 auf den Ausbau der Wasserkraft. Doch bei Umweltschützern ist das umstritten. Im Juni nahm der Landesenergieversorger Tiwag für die Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz die letzte Hürde. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die außerordentliche Revision von Alpenverein, Gemeinde und Bürgerinitiative zurückgewiesen. Eingereicht hatte die Tiwag das Vorhaben 2009.
In der Warteschleife befindet sich der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal, erst im Vorjahr hat die Tiwag für das ökologisch höchst umstrittene Projekt die Fortführung der Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.
Nicht minder strittig ist der Bau von Tumpen-Habichen an der Ötztaler Ache. Das Landesverwaltungsgericht wies zuletzt die Beschwerde gegen den positiven Naturschutzbescheid ab, der Wasserrechtsbescheid hängt noch beim Verwaltungsgerichtshof. (pn)