Kommission und Parlament nicht glücklich mit EU-Budget
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das von den Europäischen Staats- und Regierungschefs vereinbarte „sehr schmale“ EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 am Donnerstag vor dem Europaparlament als „bittere Pille“ bezeichnet. „Schmerzhafte Einschnitte“ gebe es im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission unter anderem beim Gesundheits- und Forschungsprogramm.
Der Wert von EU-Programmen übersteige die Kosten, erinnerte die Chefin der EU-Behörde in Brüssel. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich Dienstagfrüh nach mehr als viertägigen Verhandlungen auf eine Ausgabenobergrenze von 1.074 Milliarden Euro und einen „Next Generation EU“ genannten Aufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro geeinigt. Das EU-Parlament muss dem Wiederaufbauplan zustimmen.
Den schuldenfinanzierten Fonds bezeichnete von der Leyen vor den europäischen Abgeordneten als „einzigartiges Aufbauinstrument“ und sicherte dem Europaparlament als Mitgesetzgeber „volles Mitspracherecht“ bei der Konzipierung der Fazilität, Durchführung und Funktionsweise zu. Die EU-Kommission sei bereit zu einem „strukturierten Dialog“ über die Prioritäten, Ausgaben, die nationalen Pläne und deren Umsetzung.
Das EU-Parlament hat die Ergebnisse des Sondergipfels zum EU-Budget und zum Corona-Aufbaufonds als nicht ausreichend kritisiert. Er freue sich über die Einigung, nicht aber über den Deal, so Manfred Weber, Vorsitzender der Fraktion Europäische Volkspartei, am Donnerstag im Plenum in Brüssel. Die EU-Mandatare wollen in der Sondersitzung eine Resolution mit ihren Verhandlungsleitlinien beschließen.
Der vom Europäischen Rat beschlossene mehrjährige Finanzrahmen sei keine vernünftige Antwort auf die Herausforderungen der kommenden sieben Jahre, erklärte der CSU-Politiker. An EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) gewandt sagte er: „Wir sind derzeit nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken.“ Von der Leyen hatte zuvor selbst das „schmale“ geplante EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 eine „bittere Pille“ genannt, für das der Europäische Rat 1.074 Milliarden Euro als Ausgabenobergrenze vorsieht. Die EU-Kommission hält 1,1 Billionen Euro für notwendig, um die Coronakrise zu bewältigen.
Das EU-Parlament muss dem Wiederaufbaupaket zustimmen, um dessen Umsetzung zu ermöglichen. „Wir sind den Menschen, dem Miteinander und der Zukunft verantwortlich und nicht den Parteistrategien und nicht dem Rechtspopulismus und dem Nationalpopulismus, der leider in unseren Mitgliedsstaaten wächst“, unterstrich der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas in seinem Redebeitrag. Renationalisierung, „Mangel an Zukunftsverantwortung“ und die „Fülle an Absichtserklärungen“ dürfe das Europaparlament nicht hinnehmen, sondern müsse das Ergebnis verbessern. Der EU-Vizeparlamentspräsident forderte unter anderem die Rücknahme aller Kürzungen auf Kosten der gemeinsamen Ziele der EU und das Ende des Einstimmigkeitsprinzips, „damit die europäische Demokratie stärker wird“
Die EU-Abgeordneten lobten in der Debatte mit von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel, die Entscheidung, sich für das Corona-Konjunkturpaket erstmals in der Geschichte der EU gemeinsam zu verschulden. 750 Milliarden Euro sollen für den „Next Generation EU“ genannten Aufbaufonds auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden.
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn teilt die Kritik des Europaparlaments, vor allem was die Ausgestaltung des nächsten EU-Budgets anbelangt. „Da ist sicher noch Einiges, was hoffentlich in den Verhandlungen noch nachgeschärft werden kann“, sagte Hahn beim Sonderplenum am Donnerstag in Brüssel.
Der EU-Kommissar bezog sich dabei insbesondere auf jene Bereiche, die von dem 750-Milliarden-Aufbaufonds zur Bewältigung der Coronakrise nicht kompensiert werden, wie zum Beispiel der Außenpolitik. Im EU-Parlament sei oftmals besprochen worden, wie wichtig es wäre, in der Nachbarschaft und in Afrika aktiv zu werden. Dies sei „immer noch gültig, aus Gründen der Migrationsbekämpfung“, aber auch um während der Coronakrise in anderen Teilen der Welt Impfstoffe und Medikamente gegen das Virus bereitstellen zu können, sobald diese verfügbar seien. Dies sei nur mit einem entsprechenden Budget möglich.
Die Abstimmung des EU-Parlaments über das Gipfelergebnis soll voraussichtlich bei der nächsten regulären Plenarsitzung im September stattfinden. Am Donnerstag wollten sich die EU-Abgeordneten in einer Resolution zu den Gipfel-Entschließungen positionieren. Das EU-Parlament betone darin „seine Bereitschaft für „schnelle und konstruktive Verhandlungen“, „Freibrief gibt es aber keinen“, kommentierte der SPÖ-EU-Abgeordnete Andreas Schieder in einer Aussendung die zentralen Inhalte. Für Schieder müssen die EU-Staaten in den drei Bereichen Zukunftsinvestitionen, Rechtsstaatlichkeit und EU-Eigenmittel nachbessern.