Tirol

Kräuterbuschen weihen: Ein Brauch, der auch Erinnerungen weckt

Die am Abend auf der Alm frisch gesammelten Kräuter wässert Bäuerin Judith Horngacher, bevor sie am kommenden Tag zum Buschen gebunden werden.
© horngacher

Kräuterbuschen zu weihen, hat einen hohen Stellenwert. Für Bäuerin Judith Horngacher ist es eine ganz besondere Tradition.

Von Susann Frank

Angath – Es sind Kindheitserinnerungen, welche bei Judith Horn­gacher die Vorfreude auf Maria Himmelfahrt steigern. „Meine Mutter hat mich früher schon als kleines Madl zum Sammeln der Kräuter mitgenommen, die am Hohen Frauentag zum Buschen gebunden in der Kirche geweiht werden“, erinnert sich die Bäuerin aus Angath und fügt schwärmend hinzu: „Der Duft der Kräuter weckt viele Erinnerungen.“

Und mit diesen zieht die 50-Jährige jedes Jahr auf die Alm los, um möglichst viele Kräuter zu finden. „Die ganze Familie kommt mit. Tochter Christina (21) hilft beim Pflücken, die männlichen Familienmitglieder, Ehegatte Georg und die zwei Söhne, tragen die Funde ins Auto. „Meist ist der ganze Kofferraum voll, wenn wir von der Alm zurückkehren, weil wir einen großen Vorrat benötigen.“

🌿 Kräuterbuschen

Herstellung: Kräuter sammeln. Mindestens sieben (für jeden Schöpfungstag), es können aber auch neun oder 13 sein. Laut Brauchtum sollten enthalten sein: Königskerze, Eisenkraut, Wermut, Schafgarbe, Beifuß, Arnika, Kamille.

Verwendung: Am 15. August in der Kirche weihen lassen. Danach auseinandernehmen und trocknen lassen. Bei Gewitter ein paar Kräuter verbrennen, das soll vor Unheil schützen. In den Raunächten damit in Haus und Stall und um den Hof räuchern – um die bösen Geister zu vertreiben. Zu Weihnachten wird es dem Heu beigemischt und dem Vieh verfüttert, das soll es vor Krankheiten schützen.

Warum das so ist, verrät Horngacher später. Erst einmal klärt sie auf, welche Kräuter sie und ihre Tochter suchen: „Königskerze, Eisenkraut, Wermut, Schafgarbe, Beifuß, Arnika, Kamille.“ Das sind sieben verschiedene Arten, weil jede für einen Schöpfungstag stehe, das hätte sie ihre Mutter gelehrt.

Zudem sei es wichtig, einen farbenfrohen Strauß zu binden. „Deswegen gehört die gelbe Königskerze in die Mitte, das Eisenkraut wird wegen seiner lila Blüten außen herum eingebracht.“

Um nicht nur einen mächtigen, sondern wirklich prächtigen Buschen zu bekommen, gilt es Regeln zu beachten: „Bei den einzelnen Kräuterbündeln muss Blüte auf Blüte liegen“, betont die Bäuerin vom Schauflerhof.

Wenn diese also dann alle einmal in Form gebracht worden sind, beginnt das Binden oder, um genau zu sein, das Rollen. Schicht für Schicht. Bündel an Bündel. „Das schaut aus wie bei einer Schnecke. Damit es ein wirklich fester Buschen wird und die Stiele am Ende gerade abgeschnitten werden können, müssen die Männer helfen. Dazu braucht es nämlich nicht nur ihr weibliches Geschick, sondern auch einiges an männlicher Kraft“, gesteht sie.

Es obliegt jedoch alleinig den Bäuerinnen, den Stolz jedes Hofes am 15. August an den Altar zu tragen und dort abzustellen, schließlich heißt es auch Hoher Frauentag.

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Nach der kirchlichen Weihe geht die Arbeit an dem Buschen jedoch weiter, um die Kräuter ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Horngacher: „Der Buschen wird wieder auseinandergenommen und die Kräuter werden getrocknet. Ich hänge sie in der Scheune auf.“

Prächtig und mächtig: Mit Stolz trägt Bäuerin Judith Horngacher diesen Kräuterbuschen zur Weihe in die Kirche.
© horngacher

Sobald Donner zu hören ist und bevor Blitze den Himmel erleuchten, führt ihr Weg wieder zur Scheune: „Bei Gewitter hole ich immer ein bisschen getrocknete Kräuter, um sie in den Feuerherd zu werfen, damit unsere Ernte und der Hof von dem Unwetter verschont bleiben.“ Das sei ein Teil des Brauches.

Der zweite folgt erst im Winter. „An den Rau- nächten, also Weihnachten, Silvester und Dreikönig, kommt ein Teil der Kräuter ins Rauchpfandl und wir räuchern das Haus und den Stall aus sowie um den ganzen Hof herum“, berichtet Horn­gacher.

Bei Gewitter werfe ich immer etwas von den geweihten Kräutern in den Feuerherd.
Judith Horngacher 
(Schauflerbäuerin)

Zudem werden die Kräuter an Heiligabend unter das Heu fürs Vieh gemischt und anschließend den Tieren verfüttert. „Die Überlieferung ist, dass die Tiere dann gesund bleiben und die Kühe zum Beispiel einen hohen Milchertrag bringen werden“, erzählt sie.

All diese Gründe sind es, warum dieser Tiroler Brauch des Kräuterbuschenbindens und Weihens, bei dem die Bäuerinnen im Vordergrund stehen, einen hohen Stellenwert hat. Und weil bei Horngacher noch eine ganz besondere Erinnerung daran geknüpft ist, geht ihr dabei das Herz auf: „Wenn ich als Kind die Stiegen hinabgegangen bin und es im ganzen Hof nach Kräutern gerochen hat, habe ich gewusst, es ist Weihnachten.“

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