Tausende protestieren mit Menschenketten in Weißrussland

Die Protestbewegung in Weißrussland gegen Staatschef Alexander Lukaschenko bekommt immer mehr Zulauf. In der Hauptstadt Minsk protestierten die weiß gekleideten Demonstranten am Donnerstag in langen Menschenketten gegen den angeblichen Sieg Lukaschenkos bei der Präsidentenwahl sowie das gewaltsame Vorgehen der Polizei. Tausende Frauen bildeten auf Straßen Menschenketten, wie Medien berichteten.

Viele waren in Weiß gekleidet - der Farbe der Opposition - und hatten Blumen dabei. Auf Plakaten war etwa „Blumen statt Gewehrkugeln“ zu lesen. Anders als bei den abendlichen Demonstrationen ging die Polizei zunächst nicht gegen die Demonstranten vor. Die Demonstranten forderten Lukaschenko zum Rücktritt auf.

Seit der Wahl am vergangenen Sonntag gehen die Demonstranten in Minsk und vielen anderen Städten des Landes täglich auf die Straße. Nach Angaben des Innenministeriums wurden bisher mindestens 6700 Menschen festgenommen, zwei Demonstranten getötet und Dutzende verletzt.

Die Polizei gab zu, in der Stadt Brest nahe der Grenze zu Polen am Dienstag mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen zu haben. Mindestens ein Mensch wurde dabei verletzt. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug, die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja musste nach Litauen fliehen.

Am Mittwoch hatten die Behörden den Tod eines 25-Jährigen nach seiner Festnahme in der Stadt Gomel vermeldet. Die Todesursache ist demnach unklar. Am Montag war bereits ein Demonstrant in Minsk zu Tode gekommen - nach Angaben der Regierung, weil ein Sprengsatz in seinen Händen explodierte. Ein Informant der APA aus Minsk, sprach indes allein von mindestens vier Toten am Sonntag und zwei Toten am Montag. Bestätigt werden konnten diese Informationen allerdings nicht.

Der Einsatz der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten sei unglaublich brutal, erzählt der Mittdreißiger. So habe die Polizei die Menschen nicht einmal dazu aufgefordert nach Hause zu gehen, bevor sie Gewalt angewandt hätten. Am Montag sei direkt neben ihm eine Granate explodiert, erzählt der Mann. Von Medizinern sei ihm berichtet worden, dass die Rettungsdienste von den Sicherheitskräften daran gehindert worden seien, Notrufe von Zivilisten entgegenzunehmen. Stattdessen würden Sicherheitskräfte die Anrufe selbst annehmen, um anschließend auszurücken und die Verletzten erneut zu verprügeln.

Nach den Demonstrationen Festgenommene berichten indes von klaren Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention während ihrer Inhaftierung. So erzählt Maria von der Menschenrechtsorganisation Viasna (Wjasna) dem TV-Sender ARTE: „Ein junger Mann hat uns erzählt, dass in einer Zelle mehr als 30 Menschen sitzen. Er war Wahlbeobachter und wurde dabei verhaftet. Bevor er rauskam, wurde er heftig zusammengeschlagen. Er hatte einen blauen Rücken und einen blauen Fuß. Man hat ihn auf die Knie gestellt und ihn gezwungen, die Staatshymne von Belarus zu singen und sich beim Präsidenten zu entschuldigen.“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte am Donnerstag die weißrussischen Behörden auf, die Angriffe auf Journalisten einzustellen. „Es ist erschreckend zu sehen, was die Regierung gewillt ist zu tun, um Informationen über die brutale Niederschlagung der Proteste zu unterdrücken - Reporter mit Schlagstöcken und Gummigeschoßen anzugreifen, ihre Ausrüstung zu zerstören und Dutzende ins Gefängnis zu werfen“, sagte Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.

Da das Internet von den Behörden immer wieder abgeschaltet wird, um die Kommunikation der Demonstranten zu behindern, organisieren diese sich etwa über den Instant-Messenger-Dienst Telegram. So erreichte der Telegram-Kanal Nexta live, wo Bilder und Videos von den Demonstrationen hochgeladen werden, in kürzester Zeit 1,7 Millionen Abonnenten.

Doch auch das Mobilfunknetz wurde von den Behörden zeitweise stillgelegt. Dies bestätigte die A1 Telekom Austria, die in Weißrussland mit A1 Belarus und fünf Millionen Abonnenten die Nummer zwei am Mobilfunkmarkt ist, gegenüber dem ORF. So sei das Mobilfunknetz am vergangenen Sonntag von den Behörden stillgelegt worden. Am Mittwoch sei der Zugriff von den staatlichen Behörden dann wieder hergestellt worden.

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