Tichanowskaja ruft per Video zu friedlichen Massendemos auf

Die weißrussische Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja hat nach der umstrittenen Wahl aus ihrem Exil im EU-Land Litauen zu neuen friedlichen Massenaktionen aufgerufen. „Lasst uns zusammen unsere Stimmen verteidigen“, sagte sie in einer am Freitag über die sozialen Netzwerke verbreiteten Videobotschaft.

Am Samstag und Sonntag sollten sich die Menschen in allen Städten des Landes zu friedlichen Massenversammlungen zusammenfinden. Zugleich forderte sie den Machtapparat auf, die Gewalt gegen die Bürger zu beenden und den Dialog zu beginnen. Sie betonte, dass sie bei der Wahl zwischen 60 und 70 Prozent der Stimmen erhalten habe.

Dagegen hatte sich der als „letzter Diktator Europas“ bezeichnete Alexander Lukaschenko mit rund 80 Prozent zum Sieger erklären lassen. Der Staatschef hat mit dem Einsatz der Armee gedroht, um sich eine sechste Amtszeit in Folge zu sichern. An seinen Sieg vom Sonntag glaube die Mehrheit der Menschen nicht, sagte Tichanowskaja.

Im Nachrichtenkanal Telegram schlug sie die Gründung eines Koordinierungsrates vor, „um damit eine Machtübertragung sicherzustellen“. Dem Gremium sollten Vertreter der Zivilgesellschaft, namhafte Weißrussen und Fachleute angehören. „Ich erkläre, dass wir zu einem Dialog mit den Behörden bereit sind“, sagte Tichanowskaja. Die Weltgemeinschaft und die EU sollten damit helfen, dass es zu diesen Gesprächen komme.

„Die Lage ist kritisch“, sagte die Kandidatin. Lukaschenko, den sie nicht beim Namen nennt, habe einen „blutigen Krieg“ gegen die Bevölkerung begonnen. „Die Belarussen wollen nie mehr unter den gegenwärtigen Machthabern leben.“ Tichanowskaja danke ihren Unterstützern und besonders den Menschen in den Staatsbetrieben, die öffentlich auf Versammlungen gezeigt hätten, für wen sie gestimmt haben. Auf vielen Videos ist zu sehen, wie Arbeiter jubelnd die Hände in die Luft strecken bei der Frage, wer Tichanowskaja gewählt habe. Für Lukaschenko gingen kaum Hände hoch.

Bei der EU-Außenministerkonferenz am Freitag geht es laut Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) noch nicht um die Verhängung von Sanktionen gegen Weißrussland. „Wir sprechen heute Nachmittag nicht über Sanktionen, sondern über die Situation in Belarus“, erklärte Schallenberg am Freitag in Wien.

„Wir stimmen überein, dass diese Wahl weder fair noch frei war“, daher gehe es bei der Videokonferenz der EU-Außenminister darum, klare Forderungen an Minsk zu richten, die Gefangenen freizulassen und einen nationalen Dialog zu starten. „Wenn das nicht passiert, dann sollte die EU Sanktionen nicht ausschließen“, so Schallenberg.

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