Weißrussland: Hunderte bei Trauerfeier für Protestteilnehmer
Hunderte Menschen haben am Sonntag in der Stadt Gomel in Weißrussland Abschied von einem jungen Mann genommen, der bei den Protesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko festgenommen wurde und später im Krankenhaus starb. Menschen legten am Sonntag Blumen nieder und entzündeten Kerzen, wie auf Bildern im Nachrichtenkanal Telegram zu sehen war.
Seine Mutter macht die Polizei für den Tod verantwortlich. Der junge Mann, der eine Herzkrankheit gehabt habe, sei am Wahlsonntag auf dem Weg zu seiner Freundin festgenommen worden und in Polizeigewahrsam im Krankenhaus gestorben. Die Polizei bestätigte dies erst am Mittwoch und teilte mit, die Gerichtsmedizin müsse die Todesursache klären.
Bereits am Samstag gab es in Minsk eine Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten. In seiner Hand soll nach Darstellung der Behörden ein Sprengsatz explodiert sein. Viele zweifeln an dieser Version. Gomel liegt im Südosten der Ex-Sowjetrepublik.
Angesichts neuer Massenproteste gegen Lukaschenko organisierte der Staatsapparat unterdessen am Sonntag erstmals Unterstützungskundgebungen für den Langzeit-Präsidenten. Medien berichteten, dass aus vielen Teilen des Landes Staatsbedienstete gedrängt würden, in der Hauptstadt Minsk an den Demonstrationen für Lukaschenko teilzunehmen.
Seit der Präsidentenwahl vor einer Woche gibt es landesweit Proteste empörter Bürger, die nicht an einen Wahlsieg Lukaschenkos glauben. Die Kundgebung soll nun ein anderes Bild vermitteln. Journalisten des Staatsfernsehens drohten dagegen mit einer Arbeitsniederlegung.
Der seit 26 Jahren mit harter Hand regierende Lukaschenko hatte sich bei seiner inzwischen sechsten Wahl mit gut 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Seine Gegner, die im ganzen Land demonstrieren, fragen seit Tagen, wo diese 80 Prozent seien und warum niemand für Lukaschenko auf die Straße gehe.
Der als „letzter Diktator Europas“ kritisierte Lukaschenko zeigt sich bisher weitgehend unbeeindruckt von den Protesten. Er lehnt einen Dialog mit der Opposition oder eine Vermittlung aus dem Ausland ab. Den Sieg bei der Wahl beansprucht die 37 Jahre alte, aus Sicherheitsgründen nach Litauen ausgereiste Swetlana Tichanowskaja für sich. Ihre Unterstützer fordern einen Rücktritt Lukaschenkos, die Freilassung aller Gefangenen und Neuwahlen.
Der 65-jährige Lukaschenko hatte die Demonstranten als vom Ausland manipuliert und bezahlt sowie als Menschen mit krimineller Vergangenheit und als Arbeitslose bezeichnet. Danach traten auch Arbeitskollektive in vielen Staatsbetrieben in den Streik. Lukaschenko spricht immer wieder auch von einer Gefahr aus dem Ausland, ohne Details zu nennen.
Am Samstagabend ordnete er die Verlegung von Fallschirmjägern nach Grodno im Westen des Landes an. In der Region sei die Lage gespannt, sagte er bei einer vom Staatsfernsehen übertragenen Sitzung des Generalstabs. Lukaschenko wies zudem das Verteidigungs- und das Innenministerium sowie den Geheimdienst KGB an, keine „ungesetzlichen Aktionen“ im Land zuzulassen. Konkret planten seine Gegner eine Menschenkette vom EU-Land Litauen durch Belarus in die Ukraine. Diese Solidaritätsaktion für die Proteste müsse verhindert werden.
„Ich habe keine anderen Ziele, als einen unabhängigen und stabilen Staat zu erhalten“, sagte Lukaschenko. Er hatte auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Telefonat um Hilfe gebeten. Staatsmedien korrigierten am Samstagabend Aussagen Lukaschenkos, wonach Russland militärisch einschreiten könnte. In einer Mitteilung des Kreml zu dem Telefonat war keine Rede von irgendeiner Hilfe in der jetzigen Situation.
Die EU hatte am Freitag wegen der Polizeigewalt in Weißrussland neue Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos in die Wege geleitet, Es soll auch Strafmaßnahmen gegen Personen geben, die für eine Fälschung der Präsidentenwahl verantwortlich gemacht werden.
Russland und Weißrussland sind traditionell verbündet. Doch vor der Wahl waren die Beziehungen angespannt, nachdem Russland Subventionen zugunsten von Lukaschenkos Regierung gekürzt hatte. Putin dringt seit längerem auf eine engere Verbindung in einem gemeinsamen Staat, was Lukaschenko bisher abgelehnt hat. Er wirft Russland vor, sein Land mit 9,5 Millionen Einwohnern schlucken zu wollen. Russland betrachtet Weißrussland als Puffer gegenüber der NATO und dem Westen.
US-Außenminister Mike Pompeo erklärte bei einem Besuch in Polen, die Washingtoner Regierung beobachte die Entwicklung in Weißrussland genau. Darüber werde auch mit der Europäischen Union beraten.