Diplomatisches Tauziehen um Weißrussland vor EU-Sondergipfel
Einen Tag vor dem EU-Sondergipfel zur Krise in Weißrussland laufen die diplomatischen Drähte heiß. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden am Mittwoch per Videokonferenz beraten, wie sie sich zu dem Konflikt in der ehemaligen Sowjetrepublik positionieren. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, jegliche Form der Einmischung in die innenpolitischen Belange von Weißrussland sei inakzeptabel.
Deutschland und Frankreich riefen Putin zum Einwirken auf den autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko auf. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron appellierten am Dienstag in Telefonaten an Putin, seinen Einfluss auf das Nachbarland zu nutzen.
Merkel forderte nach Angaben ihres Sprechers Steffen Seibert einen Gewaltverzicht gegen friedliche Demonstrierende in Weißrussland und die Freilassung politischer Gefangener. Merkel betonte in dem Gespräch mit Putin demnach auch, dass die weißrussische Regierung „in einen nationalen Dialog mit Opposition und Gesellschaft eintreten müsse, um die Krise zu überwinden“.
Macron rief Putin nach Angaben des Pariser Elysée-Palasts telefonisch auf, „zur Beruhigung“ der Lage „und zum Dialog“ beizutragen. Ziel sei es, „die Gewalt gegen die Bevölkerung sofort zu beenden und eine politische Lösung zu finden“. Frankreich arbeite vor dem EU-Gipfel eng mit Deutschland zusammen, betonte Macrons Büro.
Auch EU-Ratspräsident Charles Michel telefonierte am Dienstag mit Putin, wie er im Kurzbotschaftendienst Twitter bekanntgab. „Nur durch einen friedlichen und inklusiven Dialog kann die Krise in Belarus beigelegt werden“, schrieb Michel.
Lukaschenko hatte am Sonntag erklärt, angesichts der Proteste in seinem Land ein Hilfsangebot von Putin erhalten zu haben. Er habe mit dem russischen Präsidenten vereinbart, dass „auf unsere erste Bitte hin umfassende Hilfe geleistet wird, um die Sicherheit von Weißrussland zu gewährleisten“, sagte Lukaschenko.
Lukaschenko versetzte am Dienstag die Armee an der Westgrenze seines Landes in volle Gefechtsbereitschaft. Die zuständigen Einheiten seien nun bereit, ihren Verpflichtungen nachzukommen, sagte der Präsident bei einer Sitzung des Sicherheitsrates in Minsk laut Staatsagentur Belta.
„Wir haben heute nicht nur innen, sondern auch außen Probleme“, so Lukaschenko. Er hatte bereits am Wochenende die Verlegung von Fallschirmjägern nach Grodno im Westen des Landes angeordnet. Er begründete dies mit der angeblich angespannten Sicherheitslage dort. Zudem hatte er behauptet, NATO-Truppen hielten sich nicht weit von der Grenze entfernt auf. Das Militärbündnis hatte das zurückgewiesen.
Bei der Präsidentschaftswahl in Weißrussland vor über einer Woche war der seit 26 Jahren autoritär regierende Staatschef nach offiziellen Angaben mit rund 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug, auch in der EU bestehen erhebliche Zweifel an dem Ergebnis.
Zehntausende Demonstranten gingen seitdem landesweit in Weißrussland auf die Straßen, um Lukaschenko zum Rücktritt zu bewegen. Sicherheitskräfte gingen zum Teil äußerst brutal gegen Regierungskritiker vor. Zahlreiche Demonstranten berichteten nach ihrer Freilassung über Folter und Misshandlungen in der Haft.