Corona-Krise

Ansturm auf Tirols Berge und Seen: Pfiati Kroatien, Griaß di Achensee

Mit Maske auf den Berg: In Tirols Seilbahnen, wie hier in der Nordkettenbahn, tummeln sich Einheimische wie Touristen.
© Vanessa Rachlé

Die Reisewarnungen der Regierung sorgen dafür, dass heuer sehr viele Menschen zu Hause urlauben. Das macht sich auf dem Berg und an den Seen bemerkbar. Die Zahl der Tagesausflügler ist gestiegen.

Von Anita Heubacher und Susann Frank

Innsbruck –Ins Ausland fliegen geht heuer gar nicht, ins Ausland fahren halten viele für zu riskant. Sie bleiben hier. Das merkt man.

▶️ 1. Eine lange Schlange aus unterschiedlichsten „Sportlern“ bildet sich vor der Gondelbahn in Mieders. Da stehen Familien mit Kindern, die sich aufs Sommerrodeln freuen, und solche, die später am Erlebnisspielplatz wuseln oder sich am Wasserpark tummeln, zudem reihen sich Mountainbike-Downhiller mit ihrer Ausrüstung ein und dazwischen stehen die Bergwanderer – und wirklich, fast alle halten gebührend Abstand. „Die Menschen genießen es, sich wieder frei bewegen zu können, deswegen respektieren sie die Auflagen“, berichtet Franz Gleirscher von seinen Beobachtungen. Der Geschäftsführer der Serlesbahnen freut sich, sagen zu können, dass relativ viele Gäste im Stubaital sind. „An Spitzentagen waren bis zu 1500 Menschen bei uns am Berg.“ Es seien Gäste aus dem Ausland wie Deutschland und der Schweiz, aber auch Italiener, weil diese laut Erzählungen dem Süden misstrauen würden. Aber es wären auch viel mehr Tiroler unter den Besuchern als früher: „Man merkt, dass sie diesen Sommer ihr Land erkunden.“

In den Dolomiten geht es gleich zu wie bei uns: Hier erklimmen Bergsportler den Monte Nuvolau in den Ampezzaner Dolomiten.
© Julia Hitthaler

▶️ 2. Auch in der Region Achensee ist die Anzahl der Heim-Urlauber spürbar, egal, ob man zum Bergwandern geht oder einen Tag am See einlegen will. Unter den vielen Gästen wird ebenfalls Tirolerisch gesprochen. „Unsere Aktionen, die wir schon Ende April zusammen mit MPreis gefahren haben, haben auch dazu beigetragen, dass wir ein noch beliebteres Tagesausflugsziel geworden sind“, bestätigt Martin Tschoner einen regionalen Anstieg. Der Achensee-Tourismus-Chef berichtet sogar von einem rot-weiß-roten Erfolg. „Wir hatten im Juli 97 Prozent mehr Gäste aus ganz Österreich im Vergleich mit dem Vorjahr. Insgesamt sei die Buchungslage in der auslastungsstärksten Region mit normalerweise 190 Tagen Vollauslastung derzeit sehr gut. „Bis Ende August jedenfalls. Denn es ist schon sehr auffällig, dass sich das Buchungsverhalten der Menschen sehr verändert hat, es wird kurzfristig gebucht.“

Wir hatten am Achensee im Juli 97 Prozent mehr Gäste aus Österreich.
Martin Tschoner (Achensee-Tourismus-Chef)

▶️ 3. Im Zillertal zeichnet sich ein Bild ab, das man sonst von Wochenenden im Winter kennt: Stoßstange an Stoßstange drängt sich ins „aktivste Tal der Welt“. Bei den Autokennzeichen sei deutlich zu erkennen, dass es sich um viele Tagesausflügler aus den anderen Bezirken handle, erzählt Marion Pepeunig, stellvertretende Geschäftsführerin des Tourismusverbands Mayrhofen-Hippach. „Der Verkehr hat zugenommen, weil viel weniger aufgrund der Maskenpflicht mit dem Bus fahren wollen.“ Vor allem österreichischen Gästen sei die Maskenpflicht unangenehm, den deutschen weniger. „Die sind daran gewöhnt.“ So füllen sich die Parkplätze beim Gletscher, bei den Bergbahnen und beim Schlegeis Stausee. „Es fühlt sich nach mehr Gästen an und auch nach mehr Leuten auf den Bergen. Die übernachten aber nicht im Tal“, sagt Pepeunig. Dementsprechend verzeichnet Mayrhofen-Hippach im Juli ein Minus von 20 Prozent bei den Übernachtungen.

▶️ 4. Ein sattes Plus bei den Übernachtungen registriert das Aqua-Dome-Hotel in Längenfeld. Der Preis pro Doppelzimmer liegt bei stattlichen 420 Euro pro Nacht. Das Hotel sei letzte und diese Woche ausgebucht, erzählt Geschäftsführerin Bärbel Frey. „Die Gäste buchen äußerst kurzfristig, weil sie sich nach der politischen Lage orientieren und sie buchen länger als sonst üblich.“ Die Gäste heuer würden bis zu zwei Wochen im Hotel bleiben. Deutsche, Österreicher, Franzosen und ganz neu, wie Frey anmerkt, Holländer bevölkern das Hotel.

Auf den Bergen oder an den Seen, wie hier in Seefeld und am Achensee, ist viel los. Tagesausflügler gesellen sich zu österreichischen und deutschen Gästen.
© Thomas Böhm, Anita Heubacher, Michael Kristen

Dem Plus im Hotel steht ein sattes Minus in der Therme gegenüber. Statt der üblichen 1400 Besucher dürfen nur 700 saunieren und planschen und sie müssen sich online voranmelden. „In einem halben Monat verlieren wir 150.000 Euro an Einnahmen.“ Die Zahl der Gäste aus Österreich hätte um 90 Prozent zugenommen, jene aus der Schweiz um 75 Prozent. Deutsche kämen um ein Drittel mehr.

▶️ 5. Selbst im arg gebeutelten Paznaun ist viel los. Die Nachfrage sei gut, die Buchungslage für August und September ebenso. „Wir werden eine längere Sommersaison haben, weil Reisen nach Kroatien, die Balearen und Co. alle passé sind“, sagt Andreas Steibl, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Paznaun – Ischgl. „Wir haben ein Minus, aber nur deshalb, weil manche Hotels gar nicht aufgesperrt haben.“ Weniger Betten, weniger Geschäft.

Auch Ischgl verzeichnet sehr viele Tagesausflügler und Gäste aus Österreich. „Der politische Aufruf, im Land zu bleiben, hat gewirkt“, meint Steibl. Zu den Einheimischen und österreichischen Gästen gesellen sich jene aus Deutschland. „Von dort kommen sehr viele junge Leute. Das Wandern erlebt eine Renaissance.“ Partyfeiern geht derzeit in Ischgl gar nicht. Aber gut essen zu gehen, sei en vogue. Ischgl hat sechs Haubenlokale.