Formel 1

Gedenken an Formel-1-Star Jochen Rindt: Der erste Popstar der Königsklasse

Ein Hauch von „James Dean“: Rindt in der Box mit seiner Nina (l.) und Lotus-Boss Colin Chapman.
© imago images / Motorsport Images

Heute vor 50 Jahren fiel für Österreich die Sonne vom Himmel: Jochen Rindt starb in Monza nach einem schweren Trainingsunfall. Bis heute hat der rot-weiß-rote Formel-1-Star nichts von seiner Faszination eingebüßt.

Von Daniel Suckert

Innsbruck, Monza – „Es gab einmal ein Werbefoto, da hatte Jochen den unglaublich affigsten Pelzmantel an, den man sich vorstellen kann. Bei jedem anderen Menschen hätte das unendlich lächerlich ausgeschaut. Bei ihm war es so super, dass man eine ,Ganslhaut‘ bekam“, sagte Niki Lauda einmal. Jochen Rindt war eben anders. Ein charismatischer Typ, den Künstler André Heller so beschrieb: „Jochen hatte ein Gesicht wie eine Strecke. Mit so einem Gesicht muss man was werden.“ Rindt wurde Formel-1-Weltmeister. Posthum. Für seinen Lebenstraum bezahlte er allerdings mit seinem Leben.

Faszination: Einer, der sich auch noch sehr gut an Rindt erinnert, ist Helmut Dertnig. Der Tiroler war in der Zeit als Journalist für Motoring News aktiv und erlebte den Aufstieg und Tod des rot-weiß-roten Ausnahme-Piloten hautnah: „Jochen hat Österreich auf die PS-Landkarte gebracht. Ich erinnere mich noch gut, als ich ihn 1963 in Monte Carlo das erste Mal traf. Er saß da in einer Jeans und mit einem kurzärmligen Hemd. Seine Präsenz überstrahlte einfach alles.“

Der Abtransport des zerstörten Lotus in Monza. Der Bolide wurde in zwei Teile geteilt.
© imago images/Motorsport Images

Sympathisch, locker, meistens eine Zigarette im Mundwinkel und eine Sonnenbrille auf seiner unverkennbaren Nase. Ein Hauch von James Dean machte sich mit ihm im Fahrerlager breit. Dazu war er ein Könner seines Fachs. Oder wie es sein Schulfreund Helmut Marko beschrieb: „Der Jochen war auf Anhieb schnell.“ Das mag nach wenig klingen, bedeutet im Motorsport aber so viel.

Rasanter Aufstieg: 1961 kam sein Entschluss, Rennfahrer zu werden. 1965 gewann er bereits das legendäre 24-h-Rennen von Le Mans. In dieser Zeit schuf er die „Jochen Rindt Racing Car Show“ im Wiener Messepalast, bei der Formel-1-Stars wie der fünffache Champion Juan Manuel Fangio (ARG) oder der Schotte Jackie Stewart sich die Klinke in die Hand gaben.

Jochen Rindt in Spielberg im unvergessenen Lotus 72 bei seinem letzten Heim-Grand-Prix in der Formel 1.
© imago images / Motorsport Images

Privat schlug sein Herz hochtourig für seine Nina. Das Model, das stets mit einer Stoppuhr und einem Block an der Boxenmauer saß, während ihr Ein und Alles im Kreis fuhr. Tochter Natascha kam ein Jahr nach der Hochzeit (1968) zur Welt.

Auf die Siegerstraße am glühenden Asphalt setzte Rindt ein Jahr später über. 1969, nachdem er bei Lotus-Macher Colin Chapman unterschrieben hatte. Und er wusste, was das bedeuten konnte: „Bei Lotus kann ich Weltmeister werden oder sterben.“ Zuerst kam der Tod, dann posthum die WM-Krone.

Monza: Helmut Dertnig hatte es am 5. September „illegal“ nach Monza geschafft. Denn eigentlich waren dem Grundwehrdiener Ausflüge über die Grenze untersagt. Die Faszination Rindt hatte aber gesiegt.

TT-ePaper jetzt 1 Monat um € 1,- lesen

Die Zeitung jederzeit digital abrufen, bereits ab 23 Uhr des Vortags.

Einen seiner größten Siege feierte Rindt in Monaco (1970) nach einem Husarenritt. Fürst Rainier III. und seine Ehefrau Grace gratulierten.
© imago images/Motorsport Images

Ein Wochenende vorher hatte der heute 71-Jährige noch mit Rindt in Salzburg bei seinem letzten Rennen (Formel 2) geplaudert: „Ich klagte ihm mein Leid, weil ich mit meinem Auto so schwer durch die Absperrungen kam. Jochen überließ mir daraufhin seinen Sticker für die Zufahrt.“

Was 1969 mit dem ersten Formel-1-Sieg begann, erreichte 1970 seinen Höhepunkt in der Beziehung Rindt/Chapman: Mit einem alten Lotus triumphierte er nach einer unglaublichen Aufholjagd in Monte Carlo, schied in Spa (BEL) aus und feierte danach vier Siege en suite. Den Ausfall in Spielberg erlebten über 100.000 fanatische Fans vor Ort. Mit dem Formel-2-Sieg in Salzburg ging es an den Autodromo Nazionale di Monza.

Dertnig hatte es noch rechtzeitig auf die Strecke geschafft, bei der Ausfahrt im Training winkte Rindt kurz. „Dann herrschte Stille“, ließ der Pensionist die schweren Minuten noch einmal Revue passieren: „Es entstanden Gerüchte, alle wurden unruhig. Dann sagte mir einer meiner Journalisten-Kollegen: ,Es ist Jochen!‘ Mit einem Schlag rückte alles in den Hintergrund.“

Bernie Ecclestone trug mit verweintem Gesicht den blutverschmierten Helm in die Box, der Abschleppwagen brachte das zerstörte Wrack. Eine gebrochene ­Bremswelle hatte Rindts Schicksal ­besiegelt.

Staatstrauer: Eine Nation verfiel in tiefe Trauer. 30.000 Menschen wohnten dem Begräbnis in Graz bei, Helmut Dertnig saß da bereits wieder in der Kaserne: „Wie wichtig Jochen war, kann man daran ableiten, dass wir beim Militär das Begräbnis live im Fernsehen anschauen durften.“ Jochen Rindt, der Chapman nie traute, weil der Brite (zu) oft Erfolg über Sicherheit stellte, verstarb mit 28 Jahren.

Für Dertnig, der sich Mitte der 70er-Jahre aus dem Journalismus zurückzog und in den elterlichen Betrieb wechselte, waren Rindts Leistungen in der Formel 2 zu wenig beachtet: „Rindt nahm von 1964 bis 1970 an 82 Formel-2-Rennen teil – davon gewann er 27. So viele wie kein anderer.“

Der ehemalige Journalist (Motoring News) Helmut Dertnig in seinem hauseigenen Archiv. In Monza (1970) war der Tiroler vor Ort dabei.
© Thomas Boehm / TT

Der Tod des PS-Helden veränderte einiges in der Königsklasse. Sein Kampf – zusammen mit Stewart – für mehr Sicherheit, führte Jahre später zu tragenden Veränderungen: Das Kohlefaser-Monocoque und weite Auslaufzonen kamen. Zu spät für Rindt, der seiner Nina versprochen hatte, nach dem Gewinn des WM-Titels aufzuhören. Dazu kam es nicht mehr. Sein Tod brachte die schnellste Rennserie der Welt so ins Wanken wie 1968 der Tod des Engländers Jim Clark und 1994 das Ableben Ayrton Sennas (BRA). Österreich verlor aber noch mehr, wie es Marko auf den Punkt brachte: „Wir sind eine Skination, aber Jochen war der populärste Sportler, den wir je hatten. Egal, wann man zu seinem Grab kommt, es sind immer Blumen und Kerzen da.“

Verwandte Themen