EU kann sich nicht auf Weißrussland-Sanktionen einigen
Die geplanten Sanktionen der Europäischen Union gegen Unterstützer des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko lassen weiter auf sich warten. Ungeachtet wachsenden Drucks hielt das EU-Land Zypern bei einem Außenministertreffen in Brüssel an seinem Veto fest. Zypern will Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepublik nur zustimmen, wenn die EU auch neue Sanktionen gegen die Türkei verhängt.
In Weißrussland (Belarus) hatte sich Dauer-Machthaber Lukaschenko trotz erheblicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit wieder zum Sieger von Präsidentschaftswahlen erklären lassen. Dagegen gibt es seit mehr als einem Monat Massenproteste.
Finnlands Außenminister Pekka Haavisto ließ nach den Beratungen mitteilen, es sei sehr frustrierend, dass die EU-Sanktionen noch immer nicht beschlossen werden konnten. Finnland sei deswegen auch bereit, das EU-Einstimmigkeitsprinzip bei Sanktionsentscheidungen aufzugeben. Für die EU ist das Vorgehen Zyperns höchst unangenehm, weil der Auswärtige Dienst mehrfach angekündigt hatte, dass die neuen Belarus-Sanktionen in Kürze in Kraft treten. Mit den Strafmaßnahmen will die EU Druck auf die belarussische Führung aufbauen und ein Zeichen der Solidarität mit den Demonstranten setzen.
Zypern und Griechenland fordern von der EU schon seit langem, schärfer auf von ihnen als illegal erachtete türkische Erdgaseerkundungen im östlichen Mittelmeer zu reagieren. Andere EU-Staaten sind allerdings der Ansicht, dass dies laufende Vermittlungsbemühungen von Ländern wie Deutschland erschweren könnte. Sie wollen abwarten, bevor sie neuen, von Zypern vorgeschlagenen Türkei-Sanktionen zustimmen. Nun müssen sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem am Donnerstag beginnenden Gipfel mit dem Thema beschäftigen.
Die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hatte sich zuvor in Brüssel bei den EU-Außenministern für Sanktionen gegen den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko starkgemacht. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hätten zwar Gründe, nicht auf Strafmaßnahmen zu dringen. „Aber ich habe sie gebeten, mutiger zu sein“, sagte Tichanowskaja am Montag nach einem Treffen mit den Chefdiplomaten der EU.
Die Oppositionelle Maria Kolesnikowa blieb indes in Weißrussland weiter in Untersuchungshaft. Ein Gericht in der Hauptstadt Minsk wies am Montag eine Beschwerde dagegen zurück. Vor dem Gerichtssaal hatten sich Dutzende Menschen versammelt, um sie zu unterstützen. Darunter waren auch die Botschafter einiger EU-Länder. Die 38-Jährige wurde durch eine Videoübertragung zugeschaltet. Immer wieder zeigte sie mit ihren Händen ein Herz in die Kamera als Symbol ihres Protests. Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Anführerinnen der Opposition gegen Lukaschenko.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rechnet mit einer schnellen Reaktion der EU in Form von Sanktionen gegen Einzelpersonen in Weißrussland. Beim Streit der Türkei mit den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern über den Anspruch auf mögliche Erdgaslagerstätten im Mittelmeer habe er dagegen nicht den Eindruck, dass es eine gemeinsame Linie gibt, sagte Kurz am Montag im EU-Hauptausschuss in Wien. Der Kanzler und ÖVP-Chef sprach von Völkerrechtsverletzungen der Türkei; er will sich auf dem Gipfel für Sanktionen gegen Ankara einsetzen.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hält den Widerstand gegen das Lukaschenko-Regime in Weißrussland für unumkehrbar. „Der Geist der Veränderung ist draußen aus der Flasche“, sagte Schallenberg vor dem EU-Außenministerrat in Brüssel.
„Es muss jedem in Minsk klar sein, dass es keine Rückkehr zum Status quo ante geben wird“, so Schallenberg. Er würdigte den Mut und das Durchhaltevermögen der weißrussischen Opposition, diese seien „beeindruckend“. Man müsse nun gezielt gegen einzelne Verantwortliche vorgehen, die Sanktionen würden bereits auf dem Tisch liegen. Entscheidend sei es, die richtigen Signale zu senden.