Nawalny aus stationärer Spitalsbehandlung entlassen
Einen Monat nach seiner Einlieferung in die Berliner Charité-Klinik ist der vergiftete russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny aus der stationären Behandlung entlassen worden. Der Gesundheitszustand des 44-Jährigen habe sich bis zu seiner Entlassung am Dienstag „soweit gebessert, dass die akutmedizinische Behandlung beendet werden konnte“, teilte das Krankenhaus am Mittwoch mit. Laut Analysen wurde der Kreml-Kritiker mit einem chemischen Nervenkampfstoff vergiftet.
Die behandelnden Ärzte halten demnach eine vollständige Genesung „aufgrund des bisherigen Verlaufs und des aktuellen Zustandes“ von Nawalny für möglich. Jedoch könnten eventuelle Langzeitfolgen erst im weiteren Verlauf beurteilt werden, erklärte die Charité weiter. Insgesamt wurde Nawalny 32 Tage in der Klinik behandelt, davon 24 Tage auf einer Intensivstation im künstlichen Koma.
Der Kreml-Kritiker war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zunächst wurde Nawalny nach einer Notlandung in einem Krankenhaus in Omsk behandelt, zwei Tage später wurde er auf Drängen seiner Familie und seiner Unterstützer zur Behandlung in die Berliner Klinik Charité gebracht.
Nach Angaben der deutschen Regierung wurde Nawalny „zweifelsfrei“ mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet. Labors in Frankreich wie auch in Schweden hatten den entsprechenden Befund eines Speziallabors der deutschen Bundeswehr bestätigt. Die Substanz war in der früheren Sowjetunion entwickelt worden. Moskau weist den Verdacht vehement zurück, staatliche russische Stellen könnten den prominenten Kritiker von Präsident Wladimir Putin gezielt vergiftet haben. Die russische Regierung sieht bisher auch keine Hinweise für einen Anschlag in Russland mit dem Gift aus der Nowitschok-Gruppe.
Einem Zeitungsbericht zufolge brachte der russische Präsident Wladimir Putin eine mögliche Selbstvergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny ins Spiel. Die französische Zeitung „Le Monde“ (Mittwochsausgabe) berichtete, Putin habe bei einem Telefonat mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Vermutung geäußert, Nawalny könnte sich das Nervengift Nowitschok selbst verabreicht haben.
Bei dem Telefongespräch mit Macron am 14. September brachte Putin demnach mehrere Thesen vor, wie es ohne Einmischung russischer Stellen zu der Vergiftung Nawalnys gekommen sein könne. Er verwies neben der Selbstvergiftung auf eine mögliche Verbindung nach Lettland, wo der Hersteller des Nervengifts Nowitschok lebe. Macron wies diese Vermutungen nach den Informationen von „Le Monde“ entschieden zurück.
Nawalny selbst machte sich auf dem Online-Dienst Instagram über die Mutmaßungen lustig: „Ich habe Nowitschok in der Küche gekocht“, schrieb er dort ironisch. „Davon habe ich etwas aus meinem Flachmann im Flugzeug geschluckt.“ Er fügte sarkastisch hinzu: „Putin hat mich durchschaut. Man kann ihn einfach nicht täuschen.“
Nach Angaben des Kreml kann Alexej Nawalny genau wie jeder andere Russe in sein Heimatland zurückkehren. Man sei erfreut, dass die Genesung des 44-Jährigen voranschreite, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau. Jetzt werde man sehen, ob Nawalny nach seiner Rückkehr mit russischen Sicherheitsbehörden sprechen und Informationen über seinen Fall teilen wolle.
Zum aktuellen Aufenthaltsort Nawalnys machte die Charité keine Angaben. „Die öffentliche Mitteilung zum Gesundheitszustand von Herrn Nawalny erfolgt im Einvernehmen mit ihm und seiner Ehefrau“, hieß es nur.
Der 44-Jährige hatte seinen Weg der Genesung zuletzt mit mehreren Instagram-Fotos dokumentiert. Er dankte bereits in einer am Samstag veröffentlichten Nachricht den „brillanten Ärzten“ der Klinik. Noch vor kurzem aber habe er nicht einmal Menschen erkannt und nicht begriffen, wie das Reden geht. „Das hat mich zur Verzweiflung getrieben, weil ich ja im Grunde schon verstanden habe, was der Doktor will, aber ich wusste nicht, woher ich die Worte nehmen soll.“
Nawalny wies dabei auch darauf hin, dass es noch viele Probleme zu lösen gebe. Das Telefon fühle sich in der Hand an wie ein Stein. „Und sich selbst Wasser einschenken ist eine richtige Attraktion.“