Guggeis und Feldmann: Treffen der Hochbegabten beim Erler Erntedank
Thomas Guggeis und Tobias Feldmann rissen beim Erler Erntedank das Publikum mit ihrer frischen Interpretation der Wiener Klassik mit.
Von Wolfgang Otter
Erl – Thomas Guggeis und Tobias Feldmann sind zwei junge Musiker, die dabei sind, die Musikwelt zu erobern. Der Erste, 26 Jahre alt, mit dem Taktstock am Dirigentenpult, der Zweite, 29 Jahre alt, mit seiner Violine. Zwei Hochbegabte, die beim Erntedank der Erler Festspiele am Samstagabend aufeinandertrafen, um Wolfgang Amadeus Mozarts berühmtes A-Dur-Konzert Nr. 5 (KV 216) zu musizieren. Die Musikerinnen und Musiker des Orchesters der Erler Festspiele waren dabei ihre treuen BegleiterInnen. Nur eingangs bei Mozarts Evergreen, der Ouvertüre zu „Le nozze di Figaro” (KV 492), ließ das Orchester noch die letzte Präzision und Schmissigkeit vermissen, die sich im weiteren Verlauf erfreulicherweise einstellten.
Guggeis’ Konzept entfaltete sich bereits bei der Ouvertüre. Scharfe Gegensätze und Akzente bei teils rasanten Tempi. Der junge Mann zeigte Esprit und Übermut. Der um eine Spur ältere Tobias Feldmann ruhte da (schon) mehr in sich. Fasste Mozart etwa breiter und beseelter auf. Der Gegensatz, zusammengeführt auf der Bühne, machte den Reiz aus. Ein moderner, voller Überraschungen steckender Mozart erklang für die Zuhörer, glasklar und stellenweise verträumt, ohne Perücke und ordentlich abgestaubt. Ein wahrer Genuss, nicht zuletzt durch die virtuose Leistung Feldmanns.
Der Violinist ging unter tosendem Applaus von der Bühne und Guggeis brach zu einer Fitness-Stunde gemeinsam mit dem Festpielorchester auf. Ludwig van Beethovens 7. Sinfonie stand auf dem Programm. Viele Zeitgenossen Beethovens hatten mit Unverständnis auf dieses Werk reagiert, in dem sich der Komponist einmal mehr mit Napoleon (den er verachtete) auseinandersetze. Eine stürmische Komposition, die Feldmanns Temperament gelegen kam. Er arbeitete die Konturen heraus, zog große Spannungsbögen und visualisierte das Ganze mit großer schweißtreibender Gestik. Der Jubel des Publikums war ihm und dem hervorragend spielenden Orchester für den Sturm durch die Sinfonie sicher.
Mit einer Matinee am Sonntag endete das Erntedankfest. Es wurde kein unbeschwerter Vormittag, sondern einer voller dunkler Töne und Gedanken – und doch gäbe es da auch den musikalischen Lichtstrahl, der in Mozarts berühmtem Requiem durchbricht. Nur Simone di Felice am Pult tat sich schwer, diesen Strahl zufinden, zu pragmatisch, geradlinig fiel seine Interpretation der Trauermusik aus. Bei Witold Lutoslawskis dichter und harmonisch aufwühlender „Musique funèbre“ genauso wie eben beim nachfolgenden Requiem. Der Chor der Klangverwaltung sowie die Solisten (Sopran Florina Ilie, Mezzosopran Corinna Scheurle, Tenor Michael Porter, Bass Thomas Faulkner) und das Orchester boten unter Simone di Felices sicherer Leitung eine hochsolide Leistung. Aber – musikalisch blieb es im Erler Festspielhaus an diesem Sonntagvormittag etwas zu kühl.