Steinmeier will Gedenkstätte für Friedliche Revolution

Am 30. Jahrestag der Deutschen Einheit hat der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Einrichtung einer Gedenkstätte für die Friedliche Revolution in der DDR angeregt. Wenn die Friedliche Revolution auch heute Ermutigung sein könne, „dann schaffen wir doch auch eine Stätte, die an diesen Mut erinnert“, sagte Steinmeier am Samstag bei den zentralen Einheits-Feierlichkeiten in der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam laut dem im Voraus verbreitetem Redemanuskript.

Sicherlich gebe es schon etliche Orte des Gedenkens seit der Wiedervereinigung. Aber brauche Deutschland nicht auch einen „herausgehobenen Ort“, der mehr als ein Denkmal sei, der an die Freiheits- und Demokratieimpulse der Friedlichen Revolutionäre erinnere, fragte der Bundespräsident. Einen Ort, der daran erinnere, „dass die Ostdeutschen ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und sich selbst befreit haben“.

Das Symbol der deutschen Freiheitsbewegung von 1848 sei die Paulskirche in Frankfurt/Main. Die erste Republik sei mit der Weimarer Nationalversammlung verbunden, das Grundgesetz mit Schloss Herrenchiemsee in Bayern und dem Museum König in Bonn. „Einen solchen herausgehobenen Ort gibt es für die Friedliche Revolution nicht“, argumentierte Steinmeier. Die Revolutionäre hätten eine Diktatur zu Fall gebracht. „Das ist eine Sternstunde, die auf ewig Platz in unserer deutschen Demokratiegeschichte hat.“

30 Jahre nach der Wiedervereinigung sei Deutschland „noch längst nicht so weit, wie wir sein sollten. Aber zugleich sind wir viel weiter, als wir denken.“ Der Umbruch habe die Menschen im Osten des Landes ungleich härter als im Westen getroffen. Es gebe noch immer zu viele Geschichten von zerstörten Biografien, von entwerteten Qualifikationen, von Orten, in denen eine ganze Generation fehle, weil die Jungen dort keine Zukunft gesehen hätten und weggegangen seien.

Es sei unterschätzt worden, wie langlebig Benachteiligungen sein könnten. Man müsse offen darüber sprechen. „Es ist wichtig, dass die Akten der Treuhand endlich offen sind“, sagte Steinmeier laut Manuskript mit Blick auf die Treuhandanstalt, die DDR-Staatsbetriebe privatisierte und so wettbewerbsfähig machen sollte bzw. solche Betriebe schloss. Über damalige Entscheidungen werde mit 30 Jahren Abstand neu geurteilt und gestritten werden. „Nicht streiten müssen wir über die Frage, welche traumatischen Folgen die Abwicklung ganzer Betriebe hatte.“

Der damalige Slogan der DDR-Bürger „Wir sind das Volk“ bedeute heute „‘Wir alle sind das Volk‘: Bayern, Küstenbewohner, Ostdeutsche haben ihr eigenes Selbstbewusstsein. Landbewohner ticken anders als Städter. Christen, Muslime, Juden und Atheisten sind Teil unseres Landes.“ Ossis und Wessis gebe es weiterhin, aber diese Unterscheidung sei längst nicht mehr entscheidend. Durch das Zusammenwachsen von Ost und West, durch Zuwanderung und Integration sei Deutschland in den vergangenen 30 Jahren vielfältiger und unterschiedlicher geworden.

Und die Farben der demokratischen Geschichte Deutschlands seien die Farben Schwarz-Rot-Gold, „die Farben von Einigkeit und Recht und Freiheit. (...) Wir werden nicht zulassen, dass sie verdrängt, missbraucht oder vereinnahmt werden“, sagte das Staatsoberhaupt mit Blick auf Demonstranten, die jüngst vor dem Bundestag die schwarz-weiß-rote Flagge des Deutschen Reiches von 1871 oder die Reichskriegsflagge geschwenkt hatten.

Die Deutschen könnten zurückschauen „auf den gemeinsamen Weg, den unser Land seitdem zurückgelegt hat, hin zu einem wiedervereinten, freiheitlichen und demokratischen Land in der Mitte Europas. (...) Darauf sind wir an diesem Tag zu Recht stolz - und: Keine Pandemie kann uns daran hindern.“ Im Gegenteil: „Unser Land zeigt in diesen Corona-Zeiten, dass wir zusammenstehen, dass wir stark sind und verantwortungsvoll handeln. (...) Die Pandemie wird uns die Zukunft nicht nehmen“, zeigte sich der Bundespräsident zuversichtlich. „Ja, wir leben heute in dem besten Deutschland, das es jemals gegeben hat. Lassen Sie uns allen denen danken, die daran mitgearbeitet haben.“ Und auch wenn das große Fest entfalle, „die Bedeutung des Tages bleibt. Der Tag der Einheit, ist ein wichtiger Moment der Freude, der Erinnerung und Ermutigung.“

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit von den Bürgern in Ost und West Zusammenhalt gefordert - gerade auch in der Coronakrise. „Wir wissen, wir müssen heute wieder mutig sein“, sagte Merkel am Samstag vor dem zentralen Festakt in Potsdam: „Mutig, neue Wege zu gehen angesichts einer Pandemie, mutig, die noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West auch wirklich zu überwinden (...).“

Mutig müsse auch der Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft immer wieder eingefordert werden und dafür müsse man auch arbeiten. Die Regierungschefin würdigte das damalige Engagement aller auf dem Weg zur Deutschen Einheit. „Wir können uns alle freuen, heute in Frieden und Freiheit den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit zu begehen“, sagte Merkel. „Es brauchte viel Mut, um dahin zu kommen, von Menschen in der damaligen DDR, die auf die Straße gegangen sind, die friedliche Revolution in Gang gesetzt haben.“ Mut hätten auch diejenigen in der alten Bundesrepublik gehabt, sich auf den Weg der Einheit einzulassen. Deutschlands Partner seien mutig gewesen, Deutschland zu vertrauen.

Merkel, die selbst in der ehemaligen DDR gelegt hatte, sagte angesichts zunehmender Konflikte in der Welt seit der Wiedervereinigung: „Wir werden weiter gemeinsam in Ost und West, in Nord und Süd Mut brauchen, um einen guten, friedlichen Weg weiter zu gehen“, sagte sie. Sie bedanke sich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die dazu beigetragen hätten, dass die Deutsche Einheit „im Großen und Ganzen“ gelungen sei. „Ich wünsche mir, dass wir weiter mutig neue Wege beschreiten, damit auch die, die nach uns kommen (...) ein gutes Leben haben, und dass wir neugierig auf die neuen Zeiten sind.“

Der zentrale Festakt in Potsdam steht in diesem Jahr im Zeichen der Corona-Pandemie. Tausende Gäste wurden am Samstag in der Stadt erwartet, wegen der Hygiene- und Abstandsregeln konnten aber nur 130 Gäste beim ökumenischen Gottesdienst (10.00 Uhr) in der Kirche St. Peter und Paul und 230 Gäste beim Festakt (12.00 Uhr) in der Metropolishalle in Babelsberg dabei sein.

Trotz bestehender Konflikte und Probleme hat sich einer neuen Umfrage zufolge die Zufriedenheit auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik und auf dem der DDR teils deutlich erhöht. Mit Blick auf das Einkommen sind die Bürger vor allem in den ostdeutschen Bundesländern glücklicher als noch vor 30 Jahren. Das geht aus der Auswertung zweier repräsentativer Umfragen von 1991 und 2020 hervor, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vorgenommen hat und die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

In Ostdeutschland äußerte sich demnach vor rund 30 Jahren lediglich jeder fünfte Befragte zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit seiner finanziellen Situation. In diesem Jahr war es nahezu die Hälfte der Teilnehmer aus ostdeutschen Bundesländern. In Westdeutschland zeigten sich 1991 rund 60 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden. 2020 äußerten sich nur noch 55 Prozent entsprechend.