Briefwähler bringen Unsicherheit bei Wien-Wahl-Hochrechnung

Die Hochrechnungen am Wahlabend der Wien-Wahl am 11. Oktober dürften mit größeren Unsicherheiten behaftet sein als gewohnt. Grund dafür ist laut den Hochrechnern von ARGE Wahlen und SORA die Tatsache, dass bei diesem Urnengang aufgrund der Corona-Pandemie mit deutlich mehr Briefwählern zu rechnen ist als bei vergangenen Wahlen.

Sowohl Franz Sommer von der ARGE Wahlen, die am Wahlabend die Hochrechnungen für die APA erstellt, als auch Christoph Hofinger vom Insitut SORA, das für den ORF hochrechnet, verwiesen gegenüber der APA auf den besonderen Umstand der Wahl: Schon jetzt sind 340.000 Wahlkarten beantragt, das sind so viele wie noch bei keiner Wien-Wahl zuvor. Zum Vergleich: 2015 wurden 203.874 Wahlkarten ausgestellt.

Laut Sommer lag die Relation zwischen Urnenstimmen und Briefwahlstimmen bei der Wahl 2015 etwa bei 85:15. „Diesmal ist zu erwarten, dass es ganz anders aussehen wird.“ Man wisse noch nicht, ob der Briefwahlstimmen-Anteil bei 30 Prozent oder noch höher liegen werde. Die Unsicherheit für die Hochrechner werde jedenfalls auch nach Vorliegen des Urnenergebnis wesentlich höher sein als früher.

Auch Hofinger betonte, dass aufgrund der vielen Briefwähler am Wahlabend eine deutlich größere Stimmen-Anzahl als üblich noch nicht ausgezählt sein wird, was die Hochrechnungen schwieriger macht: 2015 kamen für 100 Stimmen, die am Sonntag ausgezählt waren, am Montag 22 abgegebenen Wahlkarten dazu. „Heuer werden es wahrscheinlich 70 oder vielleicht sogar 80 (Briefwahlstimmen, Anm.) sein“, die pro 100 Urnenstimmen noch dazu kommen. Es dürften also am Sonntag nur etwas mehr als die Hälfte der Stimmen ausgezählt werden. Er rechnet mit einem Anteil an Briefwahlstimmen im Ausmaß von über 40 Prozent. Dazu kommt noch, dass durch den großen Ansturm das endgültige vorläufige Endergebnis eventuell erst am Dienstag feststehen könnte, da die Wahlkarten erst ab Montag ausgezählt werden und dies ob der Fülle an Briefwahlstimmen womöglich an einem Tag nicht zu schaffen sein wird.

Laut beiden Experten werde auch die Struktur der Briefwahlstimmen-Wähler eine andere sein als 2015. „Das hat zur Folge, dass man Erfahrungswerte von früher nicht mehr übertragen kann“, so Sommer. Es sei schwer zu schätzen, wie sich die Wähler der einzelnen Parteien in Sachen Wahlkarten verhalten werden, sagte auch Hofinger.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Erstellung der Hochrechnung bei dieser Wahl stellt laut Sommer auch der Umstand dar, dass es aufgrund der zu erwartenden starken Verluste der FPÖ von bis zu rund 20 Prozentpunkten zu starken Verschiebungen im Kräfteverhältnis zwischen den Parteien kommen dürfte. „Je stärker die Verschiebungen sein werden, desto schwieriger ist es, ein Ergebnis möglichst genau hochzurechnen.“

Bei Wahlschluss um 17 Uhr wir jedenfalls noch keine Hochrechnung vorliegen, sondern lediglich einen „Trendprognose“. Dazu wird eine Wahltagsbefragung veranlasst, aufgrund derer diese erste Prognose dann erstellt wird. Die ersten Hochrechnungen sind dann gegen 18 Uhr zu erwarten, wobei bei diesen wie gewohnt auch eine Schätzung der Briefwahlstimmen enthalten sein wird. Hofinger rechnet damit, dass am Wahlabend selbst nach Vorliegen des Urnenergebnisses die Hochrechnungen noch mindestens eine Unsicherheit von einem Prozentpunkt aufweisen werden.

Relevant werden könnte das am Wahlabend bei besonders knappen Abständen zwischen zwei Parteien - oder für die Frage, ob eine Partei knapp über oder unter der für den Einzug in den Landtag notwendige Fünf-Prozent-Hürde kommt. Dies könnte laut Umfragen das Team Strache betreffen, das laut den Erhebungen mit 4 bis 5 Prozent der Stimmen rechnen kann. Sollte die Hochrechnung inkl. der Wahlkartenschätzung etwa für das Team Strache 4,2 Prozent ausweisen, könnte sich durch die Wahlkarten theoretisch noch eine entscheidende Änderung ergeben, so Hofinger.

Die Frage der Fünf-Prozent-Hürde hat nicht nur auf die betroffene Partei Auswirkungen, sondern auch auf die Mandatsverteilung: Laut Sommer kann eine Partei, die mit knapp über fünf Prozent einzieht, mit etwa fünf Mandaten rechnen. Diese sind im Falle eines Scheiterns dann wieder auf die übrigen Parteien aufzuteilen - ein Umstand, der auch die Mandats-Hochrechnung am Wahlabend nicht einfach macht.

Unsicher ist auch die Erwartung hinsichtlich der Wahlbeteiligung. „Insgesamt wird Corona kein Wahlbeteiligungs-Turbo sein, weil es doch viele geben wird, die zuhause bleiben“, so Hofinger. Er verwies auch darauf, dass die Wahlbeteiligung meist sinkt, wenn eine Partei gröbere Mobilisierungsschwierigkeiten hat (wie diesmal die FPÖ).

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