Papst-Enzyklika: Gegen „Kultur der Mauern“ und Todesstrafe

Papst Franziskus gibt in seiner am Sonntag im Vatikan präsentierten dritten Enzyklika „Fratelli tutti“ (Alle Brüder) dem Thema Migration breiten Raum. Dabei plädierte der Heilige Vater gegen eine „Kultur der Mauern“. Migranten sollten von den Staaten aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert werden. Zudem forderte der Papst in seiner Enzyklika eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe.

Der Papst spricht sich für eine vereinfachte Visa-Erteilung, das Öffnen humanitärer Korridore, ein Bereitstellen von Wohnraum, Sicherheit und Basis-Dienstleistungen, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, Familienzusammenführungen, Schutz von Minderjährigen und die Garantie der Religionsfreiheit aus, wie er in der in Assisi unterzeichneten Enzyklika mit dem Titel „Fratelli tutti - Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ schreibt.

Der Papst verurteilt den „ungesunden Populismus“, der die „Kultur des Volkes“ zu ideologischen Zwecken und zum Erhalt der eigenen Macht politisch instrumentalisiere. Oft nutze Populismus die egoistischen Tendenzen von Teilen der Bevölkerung aus. Mit dem Thema Populismus befasst sich der Papst im fünften Kapitel seiner am Sonntag präsentierten Enzyklika, das mit dem Titel „die beste Politik“ erscheint.

Die „beste Politik“ sei jene, die sich in den Dienst des gemeinsamen Wohls und des Volks stelle und dem Dialog offen sei. Die „beste Politik“ schütze die Beschäftigung, die eine unverzichtbare Dimension des sozialen Lebens sei und bemühe sich, dass jeder Mensch seine Fähigkeiten entwickeln könne. Aufgabe der Politik sei die Suche nach Lösungen für all das, was die fundamentalen Rechte der Menschen beschneide, wie soziale Ausgrenzung, Waffen- und Drogenhandel, sexuelle Ausbeutung, Sklavenarbeit, Terrorismus und organisiertes Verbrechen.

In seiner neuen Enzyklika spricht sich Papst Franziskus zudem entschieden gegen die Todesstrafe. Diese sei nicht akzeptabel und sollte weltweit abgeschafft werden. „Nicht einmal der Mörder verliert seine persönliche Würde“, schreibt der Papst. Er betont, dass die „Heiligkeit des menschlichen Lebens“ immer zu berücksichtigen sei. Er plädiert unter anderem für Schutz von Ungeborenen, Armen, Behinderten und alten Menschen.

Im achten und letzten Kapitel mit dem Titel „Die Religionen im Dienst an der Geschwisterlichkeit in der Welt“ bekräftigt der Papst, dass Terrorismus sich nicht auf Religion berufen dürfe, sondern in Wirklichkeit auf irrtümlichen Interpretationen religiöser Texte beruhe und auch mit Hunger, Armut, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zusammenhänge. Die Religionsfreiheit, die für alle Gläubigen fundamental ist, müsse respektiert werden.

Die Enzyklika geht auch auf die Rolle der Kirche ein. Ihre Mission sei nicht auf den privaten Bereich beschränkt. Auch wenn die Kirche nicht Politik betreibe, verzichte sie jedoch nicht auf die politische Dimension, auf die Aufmerksamkeit für das Gemeinwohl und auf die Sorge für eine integrale menschliche Entwicklung.

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Papst Franziskus schenkte am Sonntag allen auf dem Petersplatz versammelten Pilgern eine Ausgabe seiner neuen Enzyklika „Fratelli tutti“. Die Enzyklika wurde vom vatikanischen Blatt „L‘Osservatore Romano“ veröffentlicht, das nach einer längeren Pause infolge der Coronavirus-Pandemie wieder gedruckt erscheint.

Der Papst betonte, er sei bei seiner dritten Enzyklika vom Heiligen Franz von Assisi, den die Kirche am 4. Oktober feiert, inspiriert worden. Geschwisterlichkeit und soziale Gerechtigkeit seien die Kernelemente der Enzyklika, die eng mit dem vergangenen Lehrschreiben des Papstes, „Laudato Si“, verbunden sei. „Geschwisterlichkeit und Achtsamkeit für die Schöpfung sind der einzige Weg zum Frieden, wie bereits Johannes XXIII., Paul VI. und Johannes Paul II. gezeigt haben“, sagte Franziskus beim Angelus-Gebet. Auch die Folgen der Corona-Pandemie spielen in dem Rundschreiben eine Rolle.

Die neue Enzyklika umfasst 200 Seiten. Das katholische Kirchenoberhaupt hatte das Dokument am Samstag in Assisi in Umbrien nach einer Messe unterschrieben. Es ist das dritte derartige Lehrschreiben von Franziskus seit seinem Amtsantritt 2013.

Der 83-jährige Papst war für die Unterschrift am Samstag extra aus dem Vatikan in die Geburts- und Sterbestadt seines Namensgebers, des heiligen Franz von Assisi, gereits. Es war die erste Reise des Argentiniers seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Der Kirchenstaat hatte im März aus Vorsicht die Reisetätigkeit des Papstes gestoppt.

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