Verkehrsthemen für Ludwig wenig koalitionsentscheidend
Wiens Bürgermeister und SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ludwig will sich eine Woche vor der Wien-Wahl bei der Koalitionsfrage weiter nicht in die Karten schauen lassen. Verkehrsthemen dürften für ihn jedenfalls nicht entscheidend sein, deutete er in der ORF-“Pressestunde“ am Sonntag an. Angesprochen auf diesbezügliche koalitionsinterne Verstimmungen mit den Grünen betonte Ludwig, die Bewältigung der Corona-Krise sowie Wirtschafts- und Arbeitsmarktfragen hätten für ihn Priorität.
Bezüglich „autofreier“ City oder Pop-up-Radwegen gefragt, ob sich SPÖ und Grüne folglich nicht doch sehr in Verkehrsthemen unterscheiden, sagte Ludwig: „Ja, möglich. Aber ganz ehrlich: Wir haben eine der größten Gesundheitskrisen, wir haben ganz schwere Zäsuren am Wirtschaftsstandort und am Arbeitsmarkt. Also da sind für mich drei Pop-up-Radwege nicht einmal erwähnenswert in Wirklichkeit.“
Er habe nichts gegen Verkehrsberuhigung in der Innenstadt, wenn sie verfassungskonform und nach Einbeziehung aller Betroffenen umgesetzt werde. Und der Stadtchef hielt fest: „Die Pop-up-Radwege werden einer Koalition nicht im Wege stehen, aber auch eine Koalition nicht befördern. Da gibt es andere Fragen, die wichtig sind - zum Beispiel, wie es in der Wirtschaft weitergeht.“
Hier verwies Ludwig einmal mehr auf die „Stolz auf Wien“-Beteiligungsgesellschaft, über die sich die Bundeshauptstadt bei Bedarf befristet an Unternehmen beteiligt, die durch die Coronakrise ins Trudeln geraten sind. Nach der Adamol Mineralölhandelsgesellschaft und dem Schmuckhersteller Frey Wille gab der Bürgermeister nun bekannt, dass die Stadt auch bei einem „bekannten Vorstadtcafe“ einsteigen werde. Und er versprach Transparenz in Form eines Beteiligungsberichts, welche Betriebe noch berücksichtigt werden und nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgt.
Bezüglich der corona-bedingten Herausforderungen im Städtetourismus appellierte Ludwig an den Bund, sich auf EU-Ebene für ein einheitliches Vorgehen bezüglich Reisewarnungen stark zu machen. Wie es heuer um die - auch bei ausländischen Gästen sehr beliebten - Weihnachtsmärkte steht, will der Bürgermeister Mitte Oktober und somit nach der Wahl bei einem Runden Tisch mit der Wirtschaftskammer und den Veranstaltern besprechen. Es gelte zu überlegen, unter welchen Voraussetzungen sie stattfinden und wieviele Standorte überhaupt bespielt werden sollen angesichts des erwarteten Ausbleibens vieler Touristen in der heurigen Wintersaison.
Im Fokus des ORF-Auftritts stand freilich auch das Corona-Management der Stadt bzw. die wiederholte Kritik an langsamen Test- und Contact-Tracing-Prozessen. Ludwig verwies einmal mehr auf die schon angelaufene Personalaufstockung in dem Bereich oder auf neue Testschienen - etwa die Gurgelmethode oder die Teststraßen. „Wir wissen, dass wir schneller werden müssen“, räumte der Wiener SPÖ-Chef ein. Den Vorwurf, eine absehbare Entwicklung - steigende Fallzahlen im Herbst - verschlafen zu haben, wies er allerdings zurück: „Es war absehbar, dass sich das allerdings so schnell und dynamisch entwickelt, war glaube ich auch für die Expertinnen und Experten eine Überraschung.“
Dass Wien in Schulen strenger agiert als der Bund und eine ganze Klasse bei Bekanntwerden einer Infektion in Quarantäne schickt, verteidigte Ludwig. Der Bund verlange ja stets schärfere Maßnahmen von der Bundeshauptstadt - und: „Für uns ist die Gesundheit im Vordergrund. Wir wissen, dass das für die Eltern eine Herausforderung ist, aber wir versuchen, so schnell wie möglich bei den Schulen tätig zu werden“, verwies er auf die gemeinsam mit dem Bildungsministerium eingeführten mobilen Testteams für diesen Bereich.
Gefragt zum Wahlziel, gab sich Ludwig erneut bescheiden: „Es wäre schön, wenn ich in die Nähe des letzten Ergebnisses kommen würde.“ 2015 erreichte die SPÖ unter Michael Häupl bei der Wien-Wahl 39,6 Prozent - ihr zweitschlechtestes Resultat überhaupt. Umfragen sehen die Roten derzeit indes bei deutlich über der 40-Prozent-Marke. Dass, anders als bei der politischen Konkurrenz, die Bundespartei bzw. deren Chefin Pamela Rendi-Wagner keine Rolle im roten Wien-Wahlkampf spielt, erklärte Ludwig so: „Sie tritt ja nicht an in Wien. Ich finde es merkwürdig, dass andere Parteien es notwendig haben, Politiker, die gar nicht die Absicht haben ins Rathaus zu wechseln, zu plakatieren.“ Die hätten offenbar wenig Vertrauen in ihre jeweiligen Spitzenkandidaten, mutmaßte der Bürgermeister.
Pläne, nach der Wahl einen Wiener Genossen als Nachfolger für Rendi-Wagner zu positionieren, habe er nicht, versicherte Ludwig: „Ich bin stolz, dass ich ein sehr gutes Regierungsteam habe, so wie auch das Landesparteisekretariat und die Klubführung sehr gut besetzt sind, und ich würde mich ungern von Frauen und Männern trennen, die gemeinsam mit mir diesen Weg gehen.“ Personelle Erneuerungen in der Bundes-SPÖ im laufenden oder kommenden Jahr erwarte er ohnehin nicht, sagte der Wiener Parteivorsitzende.